Der Pianist und das Mädchen
Datum: 13.03.2022,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Dingo666
... schlecht, nicht schlecht!", meinte er lärmend. "Kannst echt spielen, Alter! Echt!"
Der Musiker zuckte zusammen und drehte sich um. Er schien vergessen zu haben, dass die ganze Zeit jemand hinter ihm gestanden hatte.
Claude sprang schon nach vorne von der Bühne, dicht neben Jac. Er rieb erwartungsvoll die Hände, als könne er die nächste Attraktion des Abends kaum erwarten.
"So! Was machen wir jetzt? Sollen wir uns eine DVD besorgen? Den neuen Besson vielleicht?" Er sah seine Truppe aufmunternd an.
"Ja... warum nicht?", meinte Pilli dumpf und schüttelte den Kopf. Anscheinend hatte auch er das Problem mit den Widerhaken. Aus seiner Stimme sprach wenig Begeisterung, doch die automatische Bestätigung von Claudes Plänen war für ihn zur Gewohnheit geworden.
"Also schön, los geht´s! Tschüss Alter!" Sein flüchtiger Gruß zurück zur Bühne enthielt höchstens einen halben Blick.
"Ich... ich bleibe", hörte Aurie sich sagen, zu ihrer eigenen Überraschung. "Ich will noch ein bisschen zuhören."
Die anderen starrten sie an. Und ohne dass ein weiteres Wort gewechselt worden wäre, war Aurie klar, dass sie ab sofort nicht mehr zur Gang gehören würde.
"Na schön. Ist ja dein Geburtstag heute. Du kannst tun und lassen was du willst. Bis später dann", brachte Claude heraus, bevor er sich mit einem Ruck umdrehte und mit in den Taschen vergrabenen Händen hinaus stapfte. Die übrigen drei folgten ihm wie die Reste einer geschlagenen Armee. Aurie empfand kein Bedauern.
Zurück ...
... blieb nur sie selbst, und der junge Mann, der den Abschied mit unbewegter Miene verfolgte. Er hatte ein ernstes Gesicht mit fein gezeichneten Zügen. Unbestimmbar fremdländisch, fand Aurie. Ähnlich wie diese Comics aus Japan. Mangas, oder wie die hießen. Da sahen die Leute auch immer so anders aus, ohne dass man sagen konnte, wieso.
Er sah sie nur an, wortlos. Aurie lächelte schüchtern.
"Hallo", sagte sie. "Ich bin Aurie. Aurelia eigentlich. Das war schön, was du da für mich gespielt hast."
"Oh", antwortete er. "Danke. Äh -- ich heiße Jean-Luc. Ich, äh, ich bin Pianist." Gleich darauf biss er die Zähne zusammen, als ärgere er sich über seine eigenen Worte. Aurie nickte ernsthaft.
"Soll ich noch was für dich spielen?", fragte Jean-Luc eilig.
"N-nein", zögerte sie. Plötzlich wusste sie genau, wie das andere Geschenk aussah, das sie heute bekommen würde. Sie musste tief Luft holen. Ein leises Prickeln durchzog ihren Körper.
"Nicht?"
"Lass uns lieber einen Spaziergang im Park machen, ja?"
"Äh -- gut."
Jean-Luc erhob sich und wandte sich schon nach links, um wieder das Treppchen herabzusteigen. Dann verhielt er, ging vor zur Bühnenkante und sprang ein wenig ungeschickt neben sie.
"Hallo", wiederholte sie und lächelte ihn an. So aus der Nähe sah er richtig gut aus. Er war größer, als er zunächst gewirkt hatte, und überragte sie um einen halben Kopf. Der dunkle Anzug und die Fliege verliehen ihm eine eigentümliche Würde. Wie bei einem Pfarrer oder so. Umso ...