1. Der Pianist und das Mädchen


    Datum: 13.03.2022, Kategorien: Romantisch Autor: Dingo666

    ... zu.
    
    Claude wollte gerade zu etwas Ärgerlichem ansetzen, als seine Aufmerksamkeit abgelenkt wurde. Alle drehten sich um. Im offenen Durchgang zum Garten stand jemand mit einem Smoking und einer Fliege am weißen Hemdkragen.
    
    ***
    
    Jean-Luc hatte den Jugendlichen von seiner Parkbank aus nachgeschaut wie Außerirdischen. Ganz abstrakt wusste er, dass es außer ihm und den paar Bekannten am Konservatorium auch andere junge Leute in der Stadt gab. So wie er wusste, dass es wahrscheinlich Leben auf fernen Planeten gab. Aber er hatte so wenig Berührungspunkte mit ihnen, dass ihre Bewegungen und ihr Lachen, ihre fast unverständliche Sprache exotisch und fremdartig auf ihn wirkten. So als kämen sie aus einer unbekannten und geheimnisvollen Kultur. Aus Papua-Neuguineau vielleicht, oder aus der inneren Mongolei.
    
    Normalerweise wäre er froh gewesen, dass sie vorbeizogen, ohne ihn zu bemerken. Er wäre jetzt aufgestanden und weggegangen, hätte einen Sicherheitsabstand eingelegt. Heute war es anders, auf eine eigentümliche, nicht genau zu greifende Art. Er bemerkte es daran, wie die Musik in seinem Kopf sich wegen der Störung veränderte. Nicht wie sonst, indem die Instrumentalisten zwischen seinen Schläfen die Außengeräusche durch liebliche Halbakkorde wegspülten. Sie griffen stattdessen das Lachen auf. Ein helles Fagott antwortete darauf, und ein Klavier mit einem spielerisch schnellen Triller in den oberen Oktaven.
    
    Wie hypnotisiert stand er auf und folgte ihnen. Er war noch nicht ...
    ... auf der Terrasse, als er das ungelenke Klavierspiel hörte. So schmerzhaft falsch in Melodie und Takt, dass er das Lied erst kurz vor dem Schluss erkannte.
    
    Dennoch klagte sein inneres Orchester nicht darüber, sondern reagierte auf die schrägen Töne und formte eine Art beschwingte Polka daraus.
    
    Ungewöhnlich. Und interessant!
    
    Im halbdunklen Saal saß ein junger Mann am Flügel und sang laut und neben dem Ton. Etwa in meinem Alter, dachte Jean-Luc abwesend. Vor der Bühne stand ein anderer, schmächtigerer Typ mit einer Bierflasche, daneben einer mit dunkler Hautfarbe. Außerdem ein hübsches Mädchen mit blonden Haaren, und ein kleineres, schwarzhaariges. Sie trällerten zögernd mit, ohne Herz in der Stimme.
    
    Der am Klavier war nicht zufrieden. "Heee, meine Süße. Freust du dich denn nicht?", hörte er ihn fragen.
    
    "Doch!", antwortete die Hübsche leise, aber ihr Tonfall strafte die Aussage Lügen. Die Miene des Pianisten verfinsterte sich. Dann sah er Jean-Luc und sprang auf. Auch die Übrigen drehten sich um. Alarmierend schnell. Wie Katzen, die auf ein ungewohntes Geräusch reagierten. Sie trugen tiefhängende Jeans, kunstvoll bemalt und zerrissen, dazu Jacken und Pullover in Überweite. Und betont coole Kopfbedeckungen. Wollmützen und Baretts. Das Outfit wies sie als Angehörige eines fremden Stammes aus. Sein eigener -- das wohlsituierte und gebildete französische Bürgertum -- lebte weiter von ihnen entfernt als von jedem Maori.
    
    Jean-Luc stand stocksteif da und hatte keine ...
«12...567...19»