1. Der Seelentrinker Teil 4 von 7


    Datum: 21.04.2022, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie Autor: byNimmermehr

    Verlorene Seele
    
    Das Treffen davor
    
    „Marius, darf ich ehrlich sein?
    
    Du siehst ziemlich Scheiße aus."
    
    Es war Montagmorgen und Sabina war kurz auf einen Besuch vorbei gekommen.
    
    „Genauso fühle ich mich auch. Die Operation ist deswegen auf Freitag verschoben worden."
    
    „Was ist passiert?"
    
    „Der Wunsch.
    
    Ich hatte es Dir gesagt.
    
    Du wünschst Dir etwas und der Ring nimmt Dir Kraft.
    
    Beim ersten Wunsch habe ich das kaum gespürt.
    
    Meine Schmerzen haben mir mehr von meiner Energie genommen.
    
    Aber ich merke, wie die Kraft wieder zurückkommt."
    
    „Marius. Du darfst Dir nichts mehr wünschen!
    
    Ich sehe, das ist nicht gut."
    
    „Na ja. Du hast Recht. Aber vielleicht noch ein oder zwei wohlüberlegte kleinere Wünsche und dann versuche ich, den Ring weiter zu geben.
    
    Ich hänge nicht an dem Ring. Wenn ich ihn abgeben kann ... Ich bin nicht Gollum oder Bilbo!"
    
    Sie lächelte.
    
    In der Tat war der Vergleich mit dem „einen Ring" gar nicht so weit hergeholt. Sie liebte die Bücher und zitierte aus ihrer Erinnerung:
    
    „Einer dem dunklen Herrn auf dunklem Thron
    
    Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn
    
    Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden
    
    Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden!"
    
    Leise lachend mischte sich der Ring abermals in seine Gedanken ein.
    
    „Humor habt ihr beide.
    
    Wer weiß, vielleicht zählte irgendwann auch mal ein in England gestrandetes südafrikanisches Waisenkind zu meinen Trägern und wurde durch mich inspiriert?
    
    Aber Du bist kein ...
    ... „dunkler Herr" auf „dunklem Thron" -- noch nicht ...
    
    Und ich hoffe, Du wirst es auch nicht."
    
    Ein letztes leicht zischendes Lachen -- die Stimme war so schnell wieder weg, wie sie gekommen war.
    
    „Hat er eben wieder zu Dir gesprochen?"
    
    „Ja. Das macht er immer wieder. Und ich merke auch die ganze Zeit über, dass ich nicht „alleine" bin. Er bekommt alles mit, was um mich herum vorgeht, mit wem ich rede, ... und darüber hinaus auch, was ich denke."
    
    Sabina schwieg einen Moment. Sie konnte sich nur allzu lebhaft vorstellen, was gerade in Marius vorging. Sie hatte den Ring erlebt -- als er über Marius die Kontrolle übernahm und ihr das Schicksal Ihres Ex- Mannes offenbarte.
    
    Brutal, verletzend und menschenverachtend.
    
    Und dennoch steckten auch Wahrheit und Weisheit zwischen all dem anderen, was böse war.
    
    Sabina schaute ihn wieder an.
    
    „Heute Nachmittag gegen 14:00 kommt die neue Lieferung. Ich werde schon vorher da sein. Ich bin gespannt, was wir finden."
    
    „Wirst Du allein im Lager sein?"
    
    „Ja, wir haben eine klare Aufgabenverteilung. Ich räume aus, kontrolliere noch einmal die die Ware, Lieferscheine, Qualität... Dann bereite ich die Paletten und die Wagen für Jens vor und der bringt alles in den Shop und räumt es ein.
    
    Niemand stört mich."
    
    „Bist Du Dir sicher, dass Du das wirklich tun willst?"
    
    „Ja. Da bin ich mir ganz sicher."
    
    Sabinas Stimme klang mit einem Mal wieder fest und überzeugt.
    
    „Hast Du Angst?"
    
    „Nein. Seltsamerweise überhaupt ...
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