Das Patrick-Projekt
Datum: 29.10.2022,
Kategorien:
Erstes Mal
Autor: Dingo666
... dass ich ihm da etwas signalisieren will?
Will ich das?
Schweigend steigen wir ins Auto. Jetzt geht es wohl runter, zum Hof. Es ist schon kurz nach fünf am Nachmittag, sagt die Uhr am Armaturenbrett des alten VWs. Gut. Dann kann ich noch ein wenig nachdenken. Über...
"Wir fahren noch kurz rüber zur Schluchtenhütte", sagt Patrick da mit einem Seitenblick zu mir. "Das ist nur ein kleiner Umweg. Ich möchte dir da was zeigen."
"Okay. Wie weit ist die Hütte denn? Schon wieder aufgebaut?" Die Schluchtenhütte ist vor zwei Jahren abgebrannt. Ein Tourist hatte mit dem Ofen nicht aufgepasst.
"Ja, der Rohbau steht. Aber das kriege ich in dieser Saison nicht mehr fertig. Darum kümmere ich mich ab Herbst wieder."
Es geht höher, bis an die Baumgrenze. Die Straße ist hier nur ein schmales Schotterband, der VW rüttelt und ächzt. Wir kommen über einen Grat, und auf der anderen Seite steht die Schluchtenhütte neben ein paar niedrigen Gewächsen, irgendwas zwischen verkrüppelten Bäumen und Gebüsch. Der Ausblick auf das Tal ist atemberaubend.
Wir parken neben der Hütte. Die dicken Bohlenwände und das Dach wirken stabil und für die Ewigkeit gebaut. Doch daneben liegt ein großer Haufen verkohlter Sparren und angekokelter Bretter - so viel zum Thema Ewigkeit.
Türe und Fenster fehlen noch. Trotzdem bin ich beeindruckt: Das alles hat Patrick mit seinen eigenen Händen gebaut? Ohne Kran, ohne Hubschrauber und so? Nur mit seiner Muskelkraft und ein paar Seilwinden - ...
... Respekt!
"Komm hier rüber. Aber pass auf, es ist abschüssig." Er winkt mich nach rechts, über die struppige Wiese. Vorsichtig nähern wir uns der Kante, nur gesichert von ein paar Pflöcken und einem Strick quer zum Hang. Er steigt darüber, und ich folge, mit leichtem Herzklopfen. Ich bin schwindelfrei, aber direkt vor uns geht es mindestens hundert Meter in die Tiefe. Eine kleine Schlucht, von deren Boden verwitterte Tannen zu uns hochragen.
"Hier drüben." Patrick fasst mich am Arm und zeigt nach links unten. Ich folge seinem Blick. Auf dem Wipfel eines abgebrochenen Baumes unter uns ist ein großes Nest gebaut. Ein Raubvogel sitzt auf dem Rand und schaut zu uns hoch. Im Inneren hocken zwei hellgraue Flauschknäuel mit Augen. Auch sie blicken uns an.
"Wow!", staune ich. "Adler?"
"Ein Steinadler-Paar", nickt Patrick. "Zwei Junge. Das Nest ist schon älter, aber erst in diesem Jahr ist es wieder belegt. Wir haben nicht oft Adler hier. Auch wenn es inzwischen wieder recht viele gibt, im Alpenraum."
"Ich habe noch nie welche gesehen. Außer im Zoo, meine ich." Ich beuge mich vor und gaffe hinüber. Die Jungen sehen unglaublich hässlich aus. Eher wie zu heiß gewaschene Robben mit kleinen Schnäbeln.
"Komm, hier rüber. Da ist es sicherer."
Er führt mich zu einem zersplitterten Baumstamm, vor vielen Jahren das Opfer eines Blitzes. Hier können wir uns festhalten und gefahrlos in die Tiefe sehen. Ich schlucke hart, mir wird ein wenig flau im Magen. Das geht richtig weit runter, direkt ...