1. London Calling 06


    Datum: 26.08.2018, Kategorien: Erotische Verbindungen, Autor: byplusquamperfekt

    ... kanadischen Regisseur, der ja mein Stück lesen und korrigieren wollte, falls nötig. Er hatte im ganzen Stück gerade mal zwei unglückliche Formulierungen und einen Rechtschreibfehler gefunden, meinte aber, ich solle in einigen Abschnitten lieber mehr Handlung zeigen, als darüber in den Dialogen zu berichten. Bill war auch da und blätterte in meinem Manuskript, während er uns zuhörte.
    
    „Und sonst hat es dir gut gefallen?"
    
    „Es ist das beste Stück, das ich seit Jahren gelesen habe. Wenn du uns ein Theater findest, übernehm ich die Regie."
    
    Bills süffisantes Grinsen, das er habituell trug, gefror. Natürlich hatte Kev all seine Stücke gelesen. Bill hatte sich mal über ihn bei mir beschwert, weil er gehofft hatte, er würde bei seinem Stück über einen russischen Balletttänzer Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts Regie führen, aber er wollte nicht. Das musste auf ihn wie Schlag ins Gesicht wirken.
    
    Mit meinen Zen-Stories konnte er, obwohl er ein erklärter Buddhist war, nicht so viel anfangen. Viele davon waren zudem in einem etwas archaischen Englisch gehalten, mit dem er nicht so gut zurechtkam. Alle Engländer, denen ich die Geschichten vorlegte, waren von ihnen jedoch begeistert gewesen.
    
    Ich erklärte ihm, dass ich eh ein wenig weiter daran arbeiten wollte und versprach „mehr Action" einzubauen.
    
    „Aber du meinst es ist gut? Ich darf mich also als Schriftsteller fühlen?"
    
    „Was für eine bescheuerte Frage. Natürlich bist du ein Schriftsteller. Und du hast sogar das ...
    ... Zeug zu einem richtig Guten. Für ein erstes Stück, noch dazu in einer fremden Sprache, ist das fantastisch. Ich habe keine Lust mich um ein Theater zu kümmern, das müsstest du schon tun, aber wenn du mich im Erfolgsfall engagieren willst, sag ich gerne zu."
    
    Bill gab mir ein paar Tage später auch noch eine Rezension. Es war das erste Mal, dass er mich in meiner Wohnung besuchte. Wir rauchten und diskutierten kurz über das Stück. Er hielt sich relativ bedeckt, meinte aber auch, dass er „beeindruckt" war. Dann beeilte er sich, das Thema zu wechseln. Die Frau, bei der er sich in Cornwall nach seiner Paranoia-Geschichte versteckt hatte, war wohl gerade in London und er war sich nicht sicher, ob er sie sehen wollte. Er war zwar bi, aber doch mehr auf Männer fixiert.
    
    Am Anfang hatte er die „Abwechslung" mit ihr wohl genossen, dann ging sie ihm aber etwas auf den Pinsel. Er teilte mir mit, dass ihm mehr nach Schwanz sei. Das Gespräch kippte sehr eigenartig. Ich war mir nicht sicher, ob er versuchte mich anzubaggern. War ich jetzt plötzlich interessant, weil ich ein halbwegs brauchbares Stück Literatur produziert hatte?
    
    Ich wurde aus ihm nicht schlau. Der Professor hatte ihm mal in meinem Beisein, als ob ich gar nicht existierte, gesagt „Ich wäre noch nicht ganz in ihrer Liga". Insgeheim hatte ich damals zugestimmt. Jetzt sahen wir beide das wohl anders. Trotzdem war mir bei seinen leichten Annäherungsversuchen nicht ganz wohl. Ich versuchte das Gespräch auf anderes zu ...
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