1. Wenn die Nachtigall erwacht 06


    Datum: 21.03.2018, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie Autor: by_Faith_

    Originaltitel:
    
    you shook me all night long
    
    Der Tag nach Miriams spritzigem Erlebnis in der Anderswelt war ein Freitag. Sven war in der Uni und hatte bis in den Abend Verpflichtungen. Miriam war nach einem späten Frühstück in die Stadt gegangen. Da V'nyx der IV. ihr neues Kleid ruiniert hatte, stockte sie ihrer Herbstkollektion gleich um mehrere Kleidungsstücke auf. Nach diesem Shoppingmarathon setzte sie sich mit ihrem fabrikneuen Rollkragenpullover aus Kaschmirwolle und einem farblich passenden, knielangen Rock in ein Café. Hochgeschlossen, aber figurbetont in dunklen Grautönen, die Haare zu einem buschigen Pferdeschwanz auf dem Hinterkopf gerafft und in hochhackigen Lederstiefeln, bestellte sie heiße Milch mit Zimt und zwei Stück Sahnetorte.
    
    Miriam dachte an die gestrige Hausbesichtigung. Sie war sich gestern schon sicher gewesen, dass sie dieses Haus haben wollte. Zumindest war ihr Bauchgefühl davon überzeugt, der Verstand brauchte meist eine Nacht länger. ‚Warum eigentlich?', fragte sich Miriam und rieb ihr Ohrläppchen verträumt zwischen Daumen und Zeigefinger, 'Eigentlich sind alle meine Bauchentscheidungen gut. Sie sind meist sogar besser als abstrakte logische Überlegungen.'
    
    ‚Und warum lässt du dann die dunklen Kreaturen in dem Wald alleine?', fragte die knorrige Stimme von V'nyx dem IV. und Miriam verschluckte sich fast an ihrer heißen Milch. Der Cerebrat mischte sich nur selten in ihre Gedanken ein, wenn sie nicht zu Hause war.
    
    ‚Weil mir mein ...
    ... Bauchgefühl in diesem Fall sagt, dass ich die Finger von ihnen lassen soll. Ich weiß nicht einmal wo auf dieser Welt diese dunklen Wesen leben und was es mit dem Roten Cerebrat auf sich hat. Leider bist du mir bei der Aufklärung keine große Hilfe', rechtfertigte sich Miriam und V'nyx der IV. antwortete prompt: ‚Wie auch? Ich kann den dunklen Wald in der Anderswelt alleine nicht besuchen, und du räumst diesem Thema nicht den nötigen Stellenwert ein. Eine Königin, die wie eine niedere Lebensform leben will - warum passiert ausgerechnet mir so etwas?'
    
    Miriam ließ sich nicht aus der Reserve locken, sie antwortete diplomatisch: ‚Wir werden uns gemeinsam um Antworten kümmern, aber ich gebe das Tempo und die Richtung vor.'
    
    Obwohl Miriam dieses Gespräch in Gedanken führte, machte sie die dazu passende Gestik und Mimik. Eine ältere Dame, die in dem Café an einem Nachbartisch saß, schaute argwöhnisch zu ihr herüber. Miriam beendete das Gespräch mit ihrem Cerebrat, weil sie sich von der alten Frau ertappt fühlte.
    
    Beim ersten Stück Sahnetorte wurde ihr wieder einmal bewusst, dass V'nyx der IV. eine tickende Zeitbombe war. Sobald jemand den Cerebrat entdecken würde, wäre sie erledigt. Die monatelange Bewährungszeit und das hart erarbeitete Vertrauen der Menschheit würde auf einen Schlag verpuffen. Sie musste unbedingt dafür sorgen, dass der Wintergarten, in dem V'nyx der IV. bald wohnen würde, mit verspiegelten Scheiben ausgestattet wurde. Aber vorher müsste sie der Maklerin sagen, dass ...
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