1. Wenn die Nachtigall erwacht 06


    Datum: 21.03.2018, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie Autor: by_Faith_

    ... lachte heiser, im Anflug einer todesverachtenden Leidenschaft für diese Konfrontation. Ihr wurde bewusst, dass die Anspannung in ihrem Körper nicht nur negative Emotionen weckte. Diese Auseinandersetzung schwelte schon viel zu lange, und heute würde eine Entscheidung fallen.
    
    ‚Du kennst die Taktiken und Schwächen der Menschen. Dieses Wissen werde ich dir aussaugen', antwortete V'nyx der IV. und ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken, als sie den kleinen geringelten Tentakel über die Türschwelle kriechen sah. Wie eine Giftnatter schlängelte sich der kleine Strang in die Küche, versteckte sich hinter den größeren Tentakeln und lauerte auf seine Gelegenheit. Miriam wusste, dass V'nyx der IV., wie alle Cerebraten, über diesen besonderen Tentakel verfügte, und sie wusste, dass er diese Waffe einsetzen würde. Aber jetzt, wo sie die Natter sah, bekam die Furcht eine andere Dimension. Mit einem Stuhl als Schutzschild, stürmte sie durch den Raum, nahm etliche Volltreffer auf ihren Körper in Kauf und ertrug den Schmerz mit offenen Augen.
    
    Das alles spielte keine Rolle in Anbetracht des kleinen geringelten Tentakels. Wenn es V'nyx dem IV. gelang, ihr den Stachel dieses Tentakels ins Genick oder den Kopf zu rammen, bekam er direkten Zugriff auf ihr Gehirn, dann war sie weniger als eine Drohne, dann war sie eine Marionette -- unwiderruflich. Ihr Ansturm blieb in einem dichten Netz aus armdicken Strängen stecken, der Stuhl zerbarst und V'nyx der IV. nutzte die Einzelteile als ...
    ... Knüppel.
    
    Die Königin wirbelte um die eigene Achse, bäumte sich auf und rammte ihre spitz zulaufenden Fingernägel in alles, was nach ihr schlug. Sie vermied es bewusst, komplexe Aktionen zu planen und vertraute auf ihre Intuition. Die Natter machte ihr Angst, das war die einzige Waffe, mit der V'nyx der IV. etwas ausrichten konnte, ohne sie zu töten -- und er brauchte sie lebend, um an ihr Wissen zu gelangen. Sie wusste nicht, ob die Flüssigkeit auf ihrem Körper ihr eigenes Blut, oder Pflanzensaft war. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem, aber es war glitschig und verschaffte ihr einen Vorteil, wenn die Ranken nach ihr schnappten.
    
    »Du weißt ja selbst nicht, was unsere Aufgabe auf diesem Planeten ist!«, rief sie heiser.
    
    ‚Auf keinen Fall sollen wir in Lethargie verharren und auf unseren Tod warten!', antwortete V'nyx der IV. Die Natter huschte durch ihr Sehfeld. Sie nahm den Volltreffer eines großen Tentakels auf ihren Kopf in Kauf, um der Bewegung dieser Gefahr zu folgen. Das Biest war hinter ihr. Die Königin stürmte los, zog den Kopf ein und drehte sich zur Seite, als sie gegen die Gipskartonwand prallte.
    
    Mit einem lauten Knall durchschlug sie die Wand und taumelte in den Raum, in dem der Wurzelstock des Cerebraten stand. Die Natter folgte ihr durch das Loch in der Wand und setzte zum finalen Schlag an.
    
    Die Königin war benommen und außer Atem. Sie kniete erschöpft auf dem Boden, der Gipsstaub klebte an ihrer feuchten Haut und verschleierte ihren Blick. ...