1. Reifeprüfung


    Datum: 10.06.2024, Kategorien: Betagt, Autor: bySilberstreifen

    ... Reaktion vor allem deshalb, weil ich erkannte, wie leicht er zu verunsichern war. Trotzdem beruhigte ich ihn schnell und erklärte ihm, dass ich mich freute, wenn ich ihn von nun ab mit „Leon" ansprechen durfte.
    
    Als ich damit begann den Abendtisch abzuräumen, ging er mir schnell zu Hand und übernahm dieses Amt dann ganz automatisch. Auch wenn es keinen großen Aufwand für mich bedeutete war es eine schöne Geste, die ich von nun an sehr genoss. Wenn Alexander später nach Hause kam, hatte er in der Regel schon mit seinen Kollegen oder Kunden zu Abend gegessen, so blieben nur noch 2 Weingläser am Tisch stehen, die für Leon und mich reserviert waren. Auch das wurde zur Tradition zwischen dem netten französischen Jungen und mir. Während ich jedes Wort, garniert mit diesem süßen französischen Akzent aufsaugte, kamen wir auf immer neue Themen. Unbewusst speicherte ich ganz besondere Auffälligkeiten ab. Beispielsweise seine Körpersprache, um gewisse Dinge besonders hervorzuheben. Dabei nahm ich die Sanftheit seiner Hände wahr. Seine kurz geschnittenen und gepflegten Fingernägel, keine Schwiele an der Innenfläche,.... Diese Hände haben ganz ganz sicher noch nie irgendeine harte Arbeit verrichtet.
    
    Wahrscheinlich ist es in so einer Kennenlernphase normal, wenn man sein Gegenüber von mal zu mal genauer betrachtet. Seine vorwitzige Haarsträhne, die immer wieder nach vorne fällt. Manchmal spürte ich das Bedürfnis, sie ihm zurück zu streichen, kann meinen spontanen Impuls aber ...
    ... unterdrücken. Leon könnte es falsch verstehen und ich wollte ihn nicht ständig verunsichern, um mit seiner Schüchternheit zu spielen. Die gemeinsamen Tage wurden für mich immer angenehmer und das wollte ich nicht durch eine unüberlegte Handlung aufs Spiel setzen.
    
    Auch wenn ich es immer wieder mal genoss, Zeit für mich selbst zu haben, wenn Alexander auf Geschäftsreise war oder später nach Hause kam, vermisste ich auch sehr oft seine Anwesenheit. Das wurde mir an den Abenden die ich alleine mit Leon verbrachte, umso bewusster.
    
    Umso mehr gefiel es mir, wie meine Gespräche mit Leon immer weiter ausschweiften. Die Themen wurden privater. Er erzählte von seinem Leben in Frankreich, der Scheidung seiner Eltern, seinen Hobbies und dass er nur wenige gute Freunde habe. Er war sehr auf eine berufliche Karriere fokussiert. Ein bisschen hörte ich auch heraus, dass er Mädchen seines Alters gegenüber sehr schüchtern wäre. Auf meine direkte Frage, weshalb das so sei, ging er aber nicht weiter darauf ein und wechselte das Thema. Ich nahm mir vor, an seinem Selbstbewusstsein zu arbeiten.
    
    Unsere gemeinsamen Abende veränderten auch etwas die täglichen Abläufe. Der Kleidungsstil im Haus wurde lockerer und wenn Leon nach seinen Arbeitstagen zurück war, ging er mir immer mehr zur Hand. Sobald ich in seiner Nähe auftauchte, strahlte mir sein Lächeln entgegen. Zwischendrin befürchtete ich immer wieder, dass sich Leon vielleicht doch nicht so wohl fühlen könnte bei uns. Wer in seinem Alter sitzt ...
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