1. Reifeprüfung


    Datum: 10.06.2024, Kategorien: Betagt, Autor: bySilberstreifen

    ... freue mich sehr darauf und fahre dann heute morgen in die Stadt, um alles zu besorgen. Es gibt einen wunderschönen Markt, da dürften wir alle Zutaten frisch bekommen." Leon musste sichtbar nachdenken, bis er mir einen anderen Vorschlag machte. „Isch weiß nicht wo dieser Markt ist, aber isch kann das auch nach der Arbeit einkaufen. Es ist so dass isch Dir eine Überraschung bereiten möschte und deshalb sollst Du nicht zum Einkaufen gehen!" Ein echter Romantiker der junge Mann! Mein Herz klopfte, denn so etwas habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Da er aber nicht wissen konnte, wie man zum Markt findet, schlug ich vor, dass wir zusammen einkaufen gehen, sobald er mit der Arbeit fertig wäre.
    
    Der Marktplatz befindet sich im malerischen Stadtkern und ist ganztägig geöffnet. Durch die vielen historischen Häuser außen herum, befinden sich die Marktstände auch im Sommer für die längste Zeit im Schatten. Es ist für mich immer wieder eine Freude die internationalen Köstlichkeiten zu riechen und dort und da etwas zu kosten. Regionale Landwirtschaften ergänzen das große Sortiment durch ihre saisonalen Erzeugnisse. Ein Besuch dieses Marktes ist jedes Mal wieder eine Reise in die Welt der Genüsse. Wie es schien, war auch Leonard von der Auswahl begeistert. Übermütig hakte ich mich bei ihm ein und ziehe mit ihm von Stand zu Stand. Die verschiedenen Gerüche der Gemüse und Kräuter zogen uns immer mehr in ihren Bann. Immer wieder stoppten wir um weitere Zutaten für Leons Muschelsuppe zu ...
    ... kaufen. Der Einkaufskorb wurde immer schwerer aber Leon hatte ihn mir schon zu Beginn aus der Hand genommen. Wie schön so verwöhnt zu werden, sonst muss ich alle Einkäufe selbst nach Hause schleppen.
    
    Um mir den Vortritt in dem zunehmenden Gedränge zu geben, spürte ich gelegentlich seine Handfläche auf meinem Rücken. Die Frage wann Alexander zum letzten Mal auf solche kleinen Aufmerksamkeiten geachtet hat, konnte ich mir nicht beantworten.
    
    Diese vielen kleinen Liebenswürdigkeiten mit denen mich Leon umsorgte, dieses wunderschöne Gefühl der ungeteilten Aufmerksamkeit, ich hätte ihn einfach umarmen können. Ein Blick in sein Gesicht zeigte mir ein Strahlen bis über beide Ohren, seine Augen funkelten. Auch er schien unseren Tag zu genießen. Je länger wir unterwegs waren, umso selbstverständlicher wurde es, dass er mich immer wieder an der Hand nahm und zum nächsten Köstlichkeitenstand zog. Ich fühlte mich plötzlich wieder so jung. Wir vergaßen die Zeit und genossen das hier und jetzt. Gemeinsam lachend, probierten wir diverse Früchte, die wir uns gegenseitig in den Mund steckten. Besonders imponierte mir, dass er darauf beharrte, die Einkäufe selbst zu bezahlen.
    
    Alexander hat diese Unbeschwertheit durch seinen beruflichen Stress komplett verloren.
    
    Vielleicht oder gerade deshalb kostete ich diese ungehemmten Momente mit Leon aus. Trotz des großen Altersunterschieds, den ich plötzlich nicht mehr spürte fühlte ich mich in seiner Nähe glücklich und geborgen. Nie hätte ich ...
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