1. Das verlassene Paradies


    Datum: 02.11.2018, Kategorien: Insel der Scham, Autor: Anonym

    ... einen Kurzschluss hatte“, dämpfte Kay gleich
    
    Mikes Erwartungen.
    
    Da wurden wir aber abgelenkt.
    
    Der Fischer deutete bugwärts und rief freudig aus: „Port Nelson!“
    
    Port Nelson?
    
    Ist das eine größere Hafenstadt? Ich hatte nie was davon gehört.
    
    Wie sollte ich auch?
    
    Wir vier Weiber aus Wuppertal hatten in diesem Spätsommer eigentlich nur eine ganz stinknormale Karibikreise gebucht. In Nassau stehen immer noch unsere Koffer im Hotel.
    
    Dann kam vorgestern dieses verlockende Angebot.
    
    Jonas hatte uns am Strand angesprochen und uns die Yacht gezeigt, mit der Mike und die 3 Jungs eine kleine Kreuzfahrt zwischen die Inseln der Bahamas unternehmen wollten.
    
    „Aber nur wir alleine ohne Frauen, das ist doch nichts, oder?“
    
    Ja. Das hatten wir genauso gesehen. Also hatten wir uns mal für eine Woche vom Hotel abgemeldet. Keiner wird nach uns suchen. Das war uns völlig klar.
    
    Jetzt war der dritte Tag angebrochen, nachdem wir in See gestochen waren.
    
    Dieses Desaster!
    
    Erst hatten wir uns ja über Mike gewundert, dass ihn der Verlust der „Karibian Sea-Swallow“ so kalt gelassen hatte.
    
    Aber er sagte: „ Nur keine Bange. Die war gut versichert und ich habe ja sieben gute Zeugen dafür, dass es höhere Gewalt war. Mein Väterchen wird sich freuen. Die Versicherungssumme ist riesig. Und je mehr Leute an Bord waren, desto riesiger wird sie. Die Summe wächst mit der Personenzahl, weil die alle gleich mitversichert sind. Automatisch. Auch ihr werdet nicht leer ...
    ... ausgehen.
    
    Noch höher wäre allerdings der Bonus, wenn ihr ersoffen wäret. Aber das hätte ich erst mal beweisen müssen.“ Dabei grinst er auch noch.
    
    Der wird doch nicht etwa? Nein, so sieht er nicht aus. Aber: wer weiß?
    
    Dieser komische schüttere Backenbart um die spitze Nase erinnerte mich immer irgendwie an einen Wucherer, den ich mal im Film gesehen hatte.
    
    Der hieß: “Ein Weihnachtsmärchen“, oder so ähnlich.
    
    Irgendwie sah der Mike aus, wie Martin Luther mit Backenfransenbart.
    
    Wir liefen gerade in eine halbkreisförmige kleine Bucht ein, die links und rechts von kleinen Inselchen flankiert wurde und konnten jetzt dieses Port Nelson in Augenschein nehmen.
    
    Es war nur ein winziges Nest mit einem kleinen Fischereihafen und einer weiß getünchten kleinen Holzkirche. Etwa 20 grauweiße Lehmhäuschen kuschelten sich unter die Palmen am Strand.
    
    „Ob die wenigstens hier einen Generator haben, wo ich meinen Akku aufladen kann?“ Mike war sehr skeptisch. Aber da entdeckte Kay das rettende Zeichen.
    
    Gleich gegenüber der Kirche ragte ein altertümlicher Funkmast aus einem unscheinbaren Holzschuppen empor.
    
    „Da! Dort muss es irgendeine Form von elektrischem Strom geben.“
    
    Mike und Kay machten sich auf den Weg. Jonas folgte ihnen.
    
    „Vielleicht brauchen sie einen Dolmetscher“
    
    Wir übrigen Fünf wollten versuchen, etwas zu Essen aufzutreiben.
    
    Ein Restaurant schien es hier jedenfalls nicht zu geben. Nirgends.
    
    Auch scheinbar keine Leute.
    
    Der Fischer war verschwunden, ehe wir ...
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