Schillers Faust 03
Datum: 02.04.2018,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
Autor: byhankathi
Als ich mich meinem letzthin nicht mehr ganz so trauten Heim näherte, sah ich das leere Carport, und ein Zettel in der Küche bestätigte, dass ich allein im Haus war: „Hallo Max, Luke übernachtet bei Liz. A." Das war wenig überraschend, weil ich unseren Sohn Lukas seit Wochen ohnehin nur minutenweise zu Gesicht bekam. Ich vermutete, dass Anne ihn so großzügig tun und lassen ließ, was er wollte, um ihre Ausgangsposition im Streit um Sorgerecht und Unterhalt zu verbessern -- nur für den Fall, dass unser Junge gefragt würde, bei welchem Elternteil er nach der Trennung leben wollte. Gleichzeitig bedeutete Annes Nachricht, dass sie, wenn überhaupt, heute erst spät wiederkommen würde. Denn seit ihrer Erkenntnis, dass ich der größte Fehler ihres Lebens war, hatte sie sich, statt sich um Erziehung oder Haushalt zu kümmern oder arbeiten zu gehen, zwei neue Hobbys zugelegt: Entweder sie saß mit ihrem Smartphone in der Ecke und flirtete stundenlang online mit anderen Männern, oder sie war unterwegs und traf sich mit ihren neuen Bekanntschaften. Ich konnte also davon ausgehen, dass sie in diesem Moment zum zigsten Mal die Erfahrung machte, dass Userprofile im Internet mit der Realität eher nichts zu tun haben. Und dass sie vermutlich auch dieses Mal nichts daraus lernen würde.
Während ich unter der Dusche stand und lauwarmes Wasser auf mich herab prasseln ließ, wurde mir bewusst, dass ich mich schon wieder über Anne ärgerte, obwohl mir ihr Verhalten doch nützen könnte. Ich warf ...
... mir den Bademantel über und holte einen kleinen, ledergebundenen Kalender aus meiner Aktentasche. Darin protokollierte ich alles, was mir als Munition im bevorstehenden Scheidungskrieg dienen könnte. Zum Beispiel, dass Anne mal wieder unseren Sohn, obwohl er erst in einem halben Jahr volljährig wurde, zu seiner acht Jahre älteren Freundin Eliza abgeschoben hatte, damit sie selbst ungestört in der Gegend herumvögeln konnte, anstatt ihre lästige Aufsichtspflicht zu erfüllen und dafür zu sorgen, dass der Junge sein Abi schaffte.
Eigentlich hatte ich ja vorgehabt, mir vor oder nach einem kleinen Snack gepflegt einen runterzuholen und dann früh ins Bett, ach nein, aufs Sofa zu gehen. Stattdessen blockierte der Ärger über meine zukünftige Exfrau meine Gedanken. Ich ging in den Keller, verdrosch eine halbe Stunde lang den Boxsack und stellte mich danach noch einmal unter die eiskalte Saunadusche. Das half ein bisschen. Dann nahm mir eine Flasche finnischen Wodka und ein großes Glas aus dem Wohnzimmerschrank, füllte in der Küche den Eisbehälter, machte mir ein paar Butterbrote und brachte alles auf die Terrasse. Die Sonne verschwand gerade hinter den hohen Hecken, die den Garten umgaben, aber unter meinen nackten Füßen spürte ich die Hitze des Tages, die die Steinplatten abstrahlten. Die Nacht versprach, angenehm warm zu werden, sodass ich mich entschloss, draußen zu schlafen. Also holte ich mir noch eine dünne Decke, ein Kissen und ein Buch und machte es mir auf der Gartenliege ...