1. Schillers Faust 03


    Datum: 02.04.2018, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byhankathi

    ... bequem.
    
    Ich fragte mich, was mit mir los war. Natürlich hatte ich wiederkehrende sexuelle Fantasien und gelegentlich einen feuchten Traum. Aber dass ich morgens halluzinierte, mich brutal an einem engelsgleichen Geschöpf zu vergehen, tagsüber nicht klar denken konnte, weil ich zwanghaft einer jungen Kollegin auf die Titten glotzen musste, und abends vor lauter Geilheit die staunende Öffentlichkeit daran teilhaben ließ, wie ich zuckend und stöhnend mein Sperma verspritzte, spielte doch in einer ganz anderen Liga. Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut und schenkte mir noch ein Glas Wodka ein.
    
    Je länger ich darüber nachdachte, umso mehr fand ich, dass Anne an meinem Zustand Schuld hatte. Sicher, ich hatte im Lauf der Jahre womöglich ein paar Pornos zu viel angeschaut, und ja, die Filme, zu denen ich wichste, waren im Lauf der Jahre etwas extremer geworden. Es mochte auch sein, dass meine nächtlichen Selbstbefriedigungssessions immer länger gedauert hatten und meine Lust auf ordnungsgemäßen ehelichen Geschlechtsverkehr geringer geworden war. Aber wer wollte denn nie etwas Neues probieren? Wer hatte denn nie Lust zu reden und hat jedes Gespräch genervt beendet? Wer hat mich denn in meine sexuelle Frustration getrieben? Genau. Anne.
    
    Ärgerlich schlug ich mein Buch zu. Ich hatte vielleicht einen Absatz geschafft und stellte jetzt fest, dass ich mich an kein Wort erinnern konnte. Aber inzwischen wurde es ohnehin zu dunkel zum Lesen, also legte ich es weg. Als ich mir ...
    ... nachschenkte, bemerkte ich, dass die Wodkaflasche halb leer war. Hatte ich die nicht gerade erst aufgemacht? Na egal. So mies gelaunt wie ich war, schien mir kein Alkohol auch keine Lösung zu sein.
    
    „Gibt's was zu feiern?"
    
    Ich schrak zusammen und hätte fast meinen Drink verschüttet. Anne trat urplötzlich aus dem Dunkel des Gartens in das gedämpfte Licht, das aus dem Haus auf die Veranda fiel, und blickte spöttisch auf mich herab. Ich musste das Auto überhört haben. Und ihre Schritte auf dem Gartenweg waren lautlos gewesen, weil sie ihre Schuhe in der Hand trug. Es waren Riemchensandalen mit halsbrecherischen Absätzen, die ich noch nie gesehen hatte. Meine Genervtheit wuchs, weil mir keine schlagfertige, boshafte Antwort einfiel. Außerdem wollte ich lieber allein sein. Ich hoffte und rechnete damit, dass Anne ohne ein weiteres Wort ins Haus gehen würde. Stattdessen stellte sie sich vor mir in Positur, als wollte sie, dass ich sie ansah.
    
    Anne hatte lange, schwarze Locken und einen eher dunklen Teint. Ihr Gesicht mit dem großen Mund, der kräftigen Nase und den ausgeprägten Brauen über ihren dunkelbraunen Augen war markant geschnitten. Manchmal wurde sie für eine Türkin oder Araberin gehalten, dabei stammte sie aus der tiefsten norddeutschen Provinz. Und sie war, nun ja, drall. Das war das Wort, das mir spontan in den Sinn gekommen war, als ich sie kennenlernte, und daran hatte sich nichts geändert. Sie hörte das nicht gerne und sagte, das sei ein netteres Wort für fett, doch ...
«1234...12»