1. Teil 02 - Simon


    Datum: 18.01.2019, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie Autor: bythomasbirne

    ... glattpolierten Holzdielen hinabgelassen. Sie liegt stets in der gleichen Körperhaltung. Die Beine leicht angewinkelt, die Lenden so nach vorn gewölbt, dass ein schmaler Finger aus Scheinwerferlicht unter ihrer schmalen Taille hindurch in Richtung Publikum zeigt und so ihre Zerbrechlichkeit offenbar werden lässt. Ihre dunklen Augen blicken voller Sehnsucht in die Menge, mit tequilabraunen Fingern greift sie in ihre langen, schwarzen Locken.
    
    Woher kennt sie den Unterschied zwischen einem sehnsuchtsvollen, einem verführerischen und einem gelangweilten Blick? Sie, die jedes Gefühl, jede Vorstellungskraft, jedes Ideal verloren hat. Lernt sie durch Beobachtung anderer? Muss sie das alles vor dem Spiegel proben?
    
    Wenn Elena aus den Tagen vor ihrem fünfzehnten Lebensjahr erzählt, was nur geschieht, wenn sie betrunken ist, klingt es so, als würde sie ein Buch nacherzählen, das sie nicht recht verstanden hat. Als wäre ihre kurze, aber nicht unglückliche, Jugend einer anderen, ihr auf unangenehme Weise suspekten Person widerfahren.
    
    Eine Hirnhautentzündung hat ihr damals zwei Wochen voller Schmerzen, Wahngedanken und schlimmer Träume beschert und als dann wider Erwarten das Fieber zurückging und Elena überlebte, hatte sie sich verändert. In den ersten Monaten nach ihrer Genesung entfielen ihr oft Wörter, sodass sie manchmal eben nicht „Schere" sagte, sondern „das, womit man Papier...klein macht". Mit der Zeit kehrten dann die Wörter zurück, und heute macht sie nur hin und wieder ...
    ... eine Pause beim Sprechen, legt ihre hohe, dunkle Stirn in Falten und muss einen Moment lang nach dem richtigen Ausdruck suchen.
    
    Was jedoch nie zurückkehrte, was das Fieber für immer aus ihrer Seele gebrannt hatte, war ihre Sehnsucht, ihre Vorstellungskraft, ihre Furcht, ihr Zorn und ihr Bedürfnis danach nicht allein zu sein. Nachdem der Finger Gottes derart über ihre Hirnhaut hinweggestrichen war, überkamen Elena Rastlosigkeit und diffuser Ekel gegenüber allem Bekannten. Eine Leere, die alles so fadenscheinig aussehen ließ, als könne man mit den Fingerspitzen, die dünne Leinwand, auf der das Leben aufgeführt wurde, zum Zerreißen bringen, und ins Nichts fassen.
    
    Mit 17 kam sie im Distrikt 7 an, mit 18 tauchte sie zum ersten Mal im Stahlwerk auf und bat um eine Anstellung. Ein halbes Jahr später hatte sie mich zu ihrem festen Freund gemacht.
    
    Ich werfe einen Blick über die Schulter. Mit den Fingerspitzen schiebt Elena ihren schwarzen Slip über die festen Oberschenkel, die Beine hat sie eng zusammengepresst als würde sie noch ein wenig mädchenhafte Scheu davor empfinden dem Publikum ihr Geschlecht zu offenbaren. Einen Moment lang zögert sie, als sie ihre Arme zur vollen Länge ausgestreckt hat und die schlanken, langen Finger auf ihren Knien ruhen. Dann ziehen sich die Muskelstränge unter der dunklen Haut ihres Bauches zusammen und ihr Oberkörper richtet sich auf. Die kleinen, festen, fast schwarzen Brustwarzen werden gegen ihre Schenkel gepresst, lassen ihre ohnehin schon ...
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