1. Teil 02 - Simon


    Datum: 18.01.2019, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie Autor: bythomasbirne

    ... vollen Brüste, derart nach oben gedrückt, noch größer wirken. Ihr Blick, entrückt, fast wie in einem Traum, wandert über die Menge, das sanfte Lächeln, das ihre Lippen umspielt, ist verschwörerisch, so als wolle sie jedem der Zuschauenden ein Geheimnis ins Ohr flüstern.
    
    Ein bisschen dick aufgetragen, wenn du mich fragst, geliebte Freundin. Geheimnisse werden langweilig, wenn man sie mit jedem teilt. Spar dir diesen Blick für das Schlafzimmer auf, Charles Toussaint, diesen vertrockneten Jesuitenabt, von dem du dich immer durchvögeln lässt, könntest du damit in den Wahnsinn treiben.
    
    Dem Publikum scheint es allerdings zu gefallen. Rechtgläubige, Gnostiker und Freigeister sehen zu Elena auf, als sei sie keine Hure in einem zugegebenermaßen wirklich hochklassigen Bordell, sondern eine Schwester der ersten Menschen. Durch und durch befleckt mit Sünde, wie jeder von uns, und doch in jeder Bewegung eine Unschuld, als erinnere sie sich daran, die warme, blütenduftschwere Abendluft des sechsten Tages auf ihrer dunklen, makellosen Haut zu spüren. Sogar der Templer, ein gedrungener, bierbäuchiger Mann mit kleinen Augen, knolligen, in zahllosen Schlägereien zerknitterten Ohren und einer auf dem Handgelenk eintätowierten sixtinischen Madonna, schaut in stiller Ergebenheit zu Elena auf. Der Glauben aneinander und die Welt im Allgemeinen scheint wiederhergestellt.
    
    Wofür braucht ein Mensch wie Elena einen Freund wie mich? Ich begreife es bis heute nicht, an meinem guten ...
    ... Aussehen kann es sicherlich nicht liegen, an meinem Einkommen erst recht nicht. Sie könnte sich ohne Probleme zur Konkubine eines ihrer Kunden machen lassen, Stolz und Abscheu sind ihr immerhin vollkommen unbekannt. Stattdessen zieht sie es vor, die Freundin eines Verlierers zu sein, der bis zur Unkenntlichkeit zerknitterten und verbogenen Karikatur menschlichen Daseins. Im übertragenen Sinne.
    
    Aus Mitleid ist sie jedenfalls nicht mit mir zusammen, denn sie empfindet für nichts und niemanden Mitgefühl. Der Sex, den wir haben, kann auch nicht der Grund sein, dazu lässt sie sich vermutlich eher herab, weil sie das Gefühl hat, es mir schuldig zu sein. Ihre Orgasmen sind echt, warum sollte sie sich auch die Mühe machen, mir etwas vorzuspielen, aber es wäre ihr auch recht, sie sich selbst zu bereiten.
    
    Müsste ich raten, würde ich sagen, sie bleibt bei mir, weil sie mich für genauso beschädigt und geborsten hält, wie sie selbst es ist. Ein kleiner Rest Menschlichkeit in ihr, den die Meningokokken in der ihnen eigenen Grausamkeit zurückgelassen haben, sehnt sich danach, jemanden zu finden, der ihr in irgendeiner Weise ähnlich ist. Eine schwache Theorie, insbesondere, da es mir bis jetzt noch nicht gelungen ist, jenes letzte Quentchen Menschlichkeit zu finden, jedoch trotzdem ungeheuer tröstlich.
    
    Inzwischen hat Elena ihren Slip erst über den einen, dann über den anderen ihrer hohen Absätze hinweggestreift und neben sich auf die Holzdielen fallen lassen. Ihre Wange hat sie an die ...
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