Die Pilzsammler
Datum: 12.02.2019,
Kategorien:
Nicht festgelegt,
Autor: byhugluhuglu
Ich habe eine E-Mail bekommen. Nach einem Lob für meine Geschichten, das ich gerne annehme, kommt der Absender schnell zur Sache. Er oder sie schreibt, sie würde in ihren erotischen Fantasien ihre Töchter von anderen Männern ficken lassen, während sie zusieht, sie träume davon, Bilder der beiden an notgeile Wichser wie mich zu schicken und deren erniedrigende Kommentare zu sammeln.
Ich schreibe zurück, dass das keine gute Idee sei.
Das sei schade, schreibt sie, sie gehe jetzt ins Bett und habe gehofft, ich könne ihre Fantasie anregen. Gang Bang im Wald. Geil ist die Vorstellung schon. Und ihre Töchter?
Sie nennt mir das angebliche Alter ihrer Töchter, ein Alter, in dem sie noch nicht ganz die Hauptrolle in einer erotischen Geschichte spielen dürfen. Das gibt mir zu denken.
Ist es doch nur wieder eine dieser Altherrenfantasien? Warum so umständlich? In die Rolle der Mutter zu schlüpfen, machte das den ganz offensichtlichen Tabubruch doch nicht plausibler.
Zwei unschuldige jungen Damen im Wald und eine Gruppe Männer. Na gut, es hat mich wieder gepackt.
Dann muss ich wohl.
Ich bin wie ein trockener Alkoholiker, und solche E-Mails sind das MonCherie, das ich nicht hätte essen dürfen.
*
„Komm doch."
Nina zog ihre Schwester am Hemd. „Es ist so schönes Wetter."
Jule drehte ihr Buch um und seufzte.
„Du lässt mir ja eh keine Ruhe."
Die beiden Mädchen zogen sich rasch an, nahmen den Korb für die Pilze und verließen das Haus.
Der Wald begann ...
... gleich am Ende der Stichstraße, die ihr Neubaugebiet erschloss. Rechts lag eine große Kuhkoppel.
Pilze sammeln, das war etwas, das die beiden immer taten, wenn sie einfach nur in den Wald wollten. Sie liebten den Geruch des Harzes, das Rauschen des Windes in den Kronen und das Zetern der Vögel.
Pilze, dachte Nina, als sie den Weg verließen. Es geht doch nur darum, alleine zu sein.
Alleine mit ihrer Schwester. Sie waren wie Pech und Schwefel, ihre Mutter nannte sie das dynamische Duo. Und ihr Vater, der leider viel zu selten zuhause war, weil er als Ingenieur für einen Elektronikkonzern Baustellen auf der ganzen Welt überwachte, bemühte immer das Bild von zwei Zahnrädern, die ineinander griffen.
Zahnräder. Für Jule, mit dunklen, langen Haaren und einem feingeschnittenen Gesicht, war dieser Vergleich immer ein wenig zu technisch. Nina, die robustere der beiden, die ihre Haare kurz trug, hingegen mochte die Vorstellung, dass die beiden ein Motor seien.
Langsam wanderten sie durch den Wald. Die Nachmittagssonne blinzelte durch die Bäume, der herbstliche Himmel blitzte blau zwischen den rostbraunen Blättern. Die Augen zu Boden gerichtet gingen die beiden tiefer und tiefer in den Wald. Sie kannten sich hier blind aus, seit ihre Eltern sie zum ersten Mal mitgenommen hatten. Es war, als brauchten Mutter und Vater dieses bodenständige, heimatverbundene Ritual, um ihr unstetes Leben und die Rastlosigkeit ihrer Berufswelt auszugleichen. Und die beiden Mädchen hatten es zu ...