1. Die Pilzsammler


    Datum: 12.02.2019, Kategorien: Nicht festgelegt, Autor: byhugluhuglu

    ... schätzen gelernt. Die Ruhe im Wald, die Abgeschiedenheit.
    
    „Ist Nathan noch immer hinter dir her?", fragte Jule, als sie sich um einen Steinpilz hockten und ihn mit einem Taschenmesser kurz über dem Boden abschnitten.
    
    „Leider", sagte Nina, drehte den Pilz in der rechten Hand, sah unter die Lamellen und legte ihn dann vorsichtig in den Korb. „Er verscheucht die Hirsche mit seinem Brunftschrei, den ich nicht hören will."
    
    Jule lächelte still vor sich hin. Nathan. Er war genau ihr Typ. Und wenn Nina wirklich nichts von ihm wollte, durfte sie es vielleicht mit ihm versuchen.
    
    *
    
    Ich schicke der Unbekannten die ersten Zeilen, weil ich es nicht erwarten kann, ihre Reaktion zu lesen. Das ist das Geile - das unmittelbare Feedback. Sie schreibt zurück. Und sie schickt mir Fotos. Gefälscht? Die Aufnahmedaten stimmen nicht mit ihren Angaben überein.
    
    Fotos von sich mit nackten Brüsten. Von sich und drei wichsenden Männern, an die sie ihr Ehemann ein paar Jahre später angeblich verliehen hat, im Urlaub, sie besoffen, die Männer notgeile LKW-Fahrer. Von sich und ihren zwei Töchtern, angezogen, in eben diesem Urlaub. Von ihren zwei Töchtern, nackt am Pool, die Beine gespreizt.
    
    Zum Glück sind die Mädchen auf dem letzten Foto als genug, um als 18-jöhrige Zwillinge durchzugehen. Aber vielleicht muss ich noch bei der Beschreibung der beiden noch was drauflegen.
    
    *
    
    Jule konnte ihrer Schwester in den Ausschnitt glotzen. Sie beneidete sie um die großen Brüste. Aber warum ...
    ... musste sie diese immer und bei jeder Gelegenheit so offen präsentieren? Warum konnte sie nicht einmal im Wald ein weniger offenherziges Hemd anziehen?
    
    Sie waren gerade aufgestanden, als sie die Stimmen durch den Wald hallen hörten. Zwei, drei, vier verschiedene Stimmen, Knacken von Ästen, Lachen, Grölen.
    
    Jule und Nina sahen sich enttäuscht an.
    
    „Hauptsache, sie zertrampeln nicht unsere Pilze."
    
    Sekunden später konnten sie die vier Männer zwischen den Bäumen ausmachen. Es waren Wanderer, mit Freizeithosen, Filzhüten und Funktionsjacken von Northface. Nina schätzte sie auf Mitte 40 und älter. Einer war lang und schlank, einer groß und kräftig, die anderen beiden waren älter, mit grauen Haaren an den Schläfen und deutlichem Bauchansatz über dem Hosenbund.
    
    „Egal", sagte Nina, stand auf und nahm den Korb.
    
    Die Männer blieben stehen, lachten, tuschelten, schwankten.
    
    „Oh Gott", flüsterte Jule. „Die sind besoffen."
    
    Sie packte ihre Schwester an der Jacke und zog sie weiter. Nina kannte diese Art von Spaziergängern. Die warfen auch ihre leeren Bierflaschen mal weg. Was taten die hier? Geburtstag feiern?
    
    Nach ein paar Schritten über den federnden Waldboden, zwischen Bruchholz und Buschwerk, drehten sich die beiden Schwestern um. Und hielten vor Schreck den Atem an. Vor ihnen die vier Männer. Sie hatten gedacht, diese würden den entgegengesetzten Weg nehmen, raus aus dem Wald. Doch weit gefehlt.
    
    Die vier Wanderer grinsten.
    
    „Na, sieh mal einer an. Rotkäppchen und ...
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