1. Die Stellvertreterin


    Datum: 27.04.2019, Kategorien: Kunst, Autor: Anonym

    ... Schneidersitz. Es fühlt sich kühl an, aber das geht schnell vorbei.
    
    Warum eigentlich Leder? Ist leichter zu reinigen. Ach ja. Ach so. Na dann.
    
    „Kannst du mal?“
    
    Andreas das Wildschwein schleppt einen Wassertank mit Spritzpistole in der Linken und einen Spannrahmen mit dem unvollendeten Gemälde in der Rechten zur Zimmermitte.
    
    Die Leinwand, wo eine Frau mit einer riesigen schwarzen Fotze schreiend auf dem Rücken liegt. Eigentlich kann man darauf nur Umrisse von der Frau und als schwarzen Fleck die Fotze erkennen. Ich weiß sofort, dass es die Fotze von Manuela ist. Manuela trägt gerne durchschienende rote Seidenschlüpfer. Sie hat einen rabenschwarzen dichten Schamhaarbusch, auf den sie sehr stolz ist.
    
    „Europa“, sagt Andreas. „Europa und der Stier. Europa und die Globalisierung.
    
    Europa wird vergewaltigt und genotzüchtigt. Alle Rechte, die sich die Proleten
    
    hier erkämpft haben in vielen Jahrhunderten und Jahrzehnten, mit all den vielen Opfern, werden jetzt hinweggeschwemmt von multinationalen Konzernen, die einfach die mittelalterlichen Gesetzte und Zustände in der dritten Welt für sich nutzen, um nicht nur die Arbeiter in unterentwickelten Ländern, sondern auch die Arbeiter hier bei uns zu rechtlosen Sklaven zu machen. Dabei hatten die Sklavenhalter im alten Rom noch ihre Sklaven selbst zu ernähren und zu kleiden.
    
    Die Multis haben es erreicht, dass sich die modernen Sklaven auch noch selber von ihrem Hungerlohn ernähren müssen und Miete zu zahlen haben. ...
    ... Oder sie nehmen den Staat, und damit die arbeitenden Steuerzahler hier in Haftung.
    
    Das ist Sklaverei in perfidester Vollendung.
    
    Das ist schlicht eine Vergewaltigung der eigenen Kinder.
    
    Und als pure Vergewaltigung stelle ich es dar.“
    
    „Meinst du wirklich, dass sich einer von den Vergewaltigern dein Bild kauft und sich in seine Wohnung hängt?
    
    Und was soll ich bitte mal können?“
    
    „Meinetwegen sollen sie es doch kaufen und es dann als Wertanlage in ihre Panzerschränke einsperren, damit es keiner zu sehen kriegt. Ist mir egal. Ich habe es aber gemalt. Ich habe es gesagt. Verstehst du? Ich habe nicht dazu geschwiegen. Picasso hat auch nicht geschwiegen zu Guernica.
    
    Otto Dix hat ihnen die Fratze ihres Krieges gezeigt. Ich darf nicht schweigen. Das ist meine Aufgabe als Künstler.
    
    Ich darf nicht schweigen zu dieser Vergewaltigung.
    
    Ich muss es darstellen in all seiner Grässlichkeit.
    
    Ich kann nicht Blümchen und Kirchlein malen.
    
    Ach so, ja: Du könntest die Leinwand bitte mal wässern, damit sie die Acryl-Farbe besser annimmt. Nimm dir die Spritzpistole und versprühe gleichmäßig dünn einen Wasserfilm darauf.“
    
    Ich nehme mir also die Spritzpistole und besprühe die Leinwand. Danach besprühe ich auch noch die Ledermatte mit einem dünnen Film von kühler Feuchtigkeit. Es zieht sofort ein.
    
    Ich weiß, dass das Leder dann meinen Geruch aufnimmt.
    
    Ich will, dass mein Geruch noch lange hier herumschwebt.
    
    Ich kann Manuelas Geruch noch ganz dezent wahrnehmen. Das ...
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