1. Die Verführung...


    Datum: 01.05.2019, Kategorien: Medien, Autor: Anonym

    ... eingeladen.
    
    Leise Musik kam aus riesigen Lautsprecherboxen, die in den Ecken des Raumes standen. Peter Maffay. Die Platte kannte ich auswendig. Meine Schwester ließ die auch immer laufen. „Ich war sechzehn, und sie einunddreißig - und über Liebe wußte ich nicht vieeel…, sie wußte alles, und sie ließ mich spüren, ich war kein Kind mehr. Und es war Sommer.“ Klar, das war „Und es war Sommer.“
    
    Eines meiner Lieblingslieder. Ich war schon achtzehn, aber von einem solchen Sommer konnte ich nur träumen. Dieses Jahr schien es auch nur zu schütten. Draußen schlug der Wind den Regen gegen die Fenster. Ich wollte, ich könnte in Urlaub fahren, wie die anderen. Aber dazu hatte ich kein Geld. Noch nie war ich am Meer gewesen.
    
    Zögerlich sah ich mich um. Eine riesige Schrankwand aus, mit großem Fernseher. Telefunken, 66 cm, natürlich in Farbe. Wir hatten noch einen Schwarz-Weißen. Daneben die Stereo-Anlage, alles vom Feinsten. Die Musik kam von einem großen Uher-Tonbandgerät. Eine Plattensammlung mit Dutzenden von LPs stand neben einem vollautomatischen Plattenspieler von Dual. Radio und Verstärker waren von Marantz. Wow. Ich wollte gar nicht wissen, was diese Installation gekostet hatte. Bestimmt mehr als unser Auto.
    
    In der Wohnwand war auch eine gläserne Getränkebar, gefüllt mit allerlei Spirituosen. Nicht mein Ding. Und über Eck breitete eine riesige Ledercouch aus. Weißes, ganz zartes Leder. Jedenfalls waren die hier bestimmt nicht arm.
    
    Ein Eckregal dahinter diente als ...
    ... Bibliothek. Die ganze „Angelique“-Serie von Anne Golon, dicke Wälzer, bestimmt zehn Stück. Die sahen alle fast gleich aus, hatten nur andersfarbige Einbände. Und Dutzende Bildbände von Time-Life. „Wildnisse der Welt“. Daneben eine Bertelsmann-Lexikothek in 25 Bänden, inklusive Phono-Box. Dann eine Sammlung von Klassikern in edlem Leder-Einband. Goethe, Lessing, Nietzsche, Shakespeare, Jack London, Jules Verne...
    
    „Lolita - Geschichte einer Verführung.“ Und „Die Abenteuer der Josefine Mutzenbacher“. Interessant. Davon hatte ich schon gehört. Soll sehr erotisch sein. Gelesen hatte ich es allerdings noch nicht.
    
    „Du interessierst Dich für Literatur?“ meinte sie. Unbemerkt war sie hinter mich getreten.
    
    Mir wurde ganz heiß. Ich schämte mich ein wenig, die Röte stieg mir ins Gesicht.
    
    „Ich lese auch viel. Meistens Science Fiction, aus der Stadtbücherei. Jules Verne habe ich auch, aber nur in der Taschenbuch-Ausgabe…“
    
    „Brauchst nicht verlegen zu sein. Du kannst Dich gerne ein wenig umschauen.“
    
    „Ach, nein, ich war nur ein wenig neugierig. Tut mir leid.“
    
    „Keine Ursache. Ist nichts Geheimes hier. Aber trink erst mal Deinen Kakao. Der wird sonst kalt.“
    
    Vorsichtig ließ ich mich auf die Ledercouch sinken. Ein seltsames Gefühl. Irgendwie kühl, aber edel. Wir hatten nur normale Polstermöbel zu Hause.
    
    Sie bemerkte, wie ehrfürchtig ich über das weiche Leder strich.
    
    „Fühlt sich gut an, nicht wahr? Ganz toll ist es, wenn man mit nackter Haut damit in Berührung kommt. Das ...
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