1. Dunkle Hochzeit Ch. 01


    Datum: 24.10.2019, Kategorien: Nicht festgelegt, Autor: byPoppingTom

    ... genau das, was sie ihm damals auch gewünscht hatte. Vom ganzen Herzen. Aber Robert? Es war komplett anders. Sie wusste nicht, was schlimmer war: zu sehen, wie er sich vor Gericht bog und rausschleimte, so wie sie ihn komplett nicht kannte, wie sie wieder von ihn bis in die Grundfesten enttäuscht werden würde, und wenn jetzt noch irgendetwas in ihr immer wieder sagte, „So ist er nicht! So kann er nicht sein!“, würde ihr die Enttäuschung am Ende gar keine andere Wahl lassen, als ihn so zu hassen, dass ihr jetzt schon der Gedanke daran wehtat. Es gab so Erfahrungen auf dieser Welt, die man einfach nicht machen wollte.
    
    Aber das andere war eigentlich noch schlimmer, und das Bild war klarer: zu sehen, wie er, in seiner typisch aufrecht verachtend-leidenden Art dem Gericht regelrecht entgegenschleudert: ja, ich habe sie vergewaltigt. Sie trifft keine Schuld. Ich hätte anders gekonnt. Ich wusste es nur nicht. Es tut mir leid. Ich verdiene jede Strafe dieser Welt. Sie hörte bereits den Hammer des Richters, der ihn zu irgendeiner Haftstrafe verurteilte, sie sah seinen geradezu herzzerreissenden Blick, der sich ein letztes Mal in ihr Bewusstsein bohrte, bevor er fast schon mit Gewalt weggezerrt wird. Das letzte, was sie von ihm hören wird, ist, dass er sich in seiner Zelle erhängt hat.
    
    Es waren nur Bruchstücke einer Fantasie, für ein paar Sekunden lang, doch sie schlugen ein in ihr Herz wie ein Meteorit, sie spürte es so deutlich wie noch nie: Das war sein Plan. Deshalb wollte ...
    ... er, dass sie zur Polizei ging. Und auch wenn dieser letzte Blick von ihm nur eine Fantasie war, war alles so klar und so deutlich, floss die Erinnerung an diesen Gedanken durch ihre Venen, dass sie sich fühlte, als sei es gerade erst passiert.
    
    Sie fuhr sich über den Arm. Spürte die Stelle, wo er sie so fest wie eine Schraubzwinge an den Boden gepresst hatte. Sie spürte sich, und irgendwie war das beruhigend. Sie lebte noch. Ja, sie war sich jetzt sicher, Roberts Plan war kein logischer, sondern ein rein gefühlsmässiger. Ein böser Plan. Ein Vergewaltiger, der sterben und ihr dabei noch schlechtes Gewissen machen wollte. Das mit Abstand gemeinste, was es überhaupt gab.
    
    Sie hatte ihn bisher vereitelt. Hatte ihn nicht erschossen. Hatte ihn nicht angezeigt, und würde es auch nicht tun. Nein, Robert, ich werde es nicht zulassen, dass du mir schlechtes Gewissen machst, niemals, dachte sie sich. Sie wusste noch nicht, wie sie sich rächen wollte. Aber er sollte schlechtes Gewissen bekommen, nicht sie.
    
    -
    
    Kaum war sie zuhause und hatte sich hingesetzt, weinte sie dann doch. Es kam plötzlich, es war eigentlich unsinnig, aber es wollte raus, mit aller Kraft. Es mochte daran liegen, dass sich ihr Körper noch einmal meldete, aber es war mehr die Erinnerung, die in ihr die Tränen hervorbrachten. Dieses abrupte Ende ihres Traums. Sie ging ins Bad, sah ihr verträntes, aufgeweichtes Gesicht im Spiegel, wusch und trocknete es sich ab. Sie liebte sich noch immer. Auch wenn der Tag nicht ...
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