Was du nicht siehst
Datum: 19.02.2020,
Kategorien:
Nicht festgelegt,
Autor: bymitternachtigal
... diese Tür. Alternativlos.
Vorsichtig nähre ich mich der Tür, stoppe, lausche, zögere, zittere. Habe Angst vor dem, was sich meine Phantasie hinter dieser Tür ausmalt.
Durchatmen, allen Mut zusammennehmen. Ich fasse die Klinke, ziehe, lautlos. Mein Blick fällt... auf den glänzenden Parkettboden eines Flures. Sonst nur Wände. Niemand zu sehen. Nichts zu hören.
Ich warte kurz, gehe los, barfuß. Fühle mich nackt und ausgeliefert. Spüre die Angst, jeden Moment überrascht zu werden. Halte instinktiv eine Hand vor meine Brüste, die andere vor meine Scham.
Ich nähre mich einer offenstehenden Tür. Gehe langsamer. Lausche. Riskiere einen Blick hinein... Niemand zu sehen. Ich habe das Bad gefunden.
Kurzerhand gehe ich hinein -- zumindest einen Blick in den Spiegel werfen, bevor ich auf die Straße laufe. Was ich mir jedoch getrost sparen könnte, falls ich nackt auf die Straße laufen werde, denke ich pragmatisch.
Ich mustere das Bad: Eine Zahnbürste, Medikamente, die irgendwie bedrohlich aussehen, kaum Kosmetik, Männer-Rasierer, Toilettenbrille hochgeklappt. Hier wohnt ein unkultivierter Single-Mann, folgere ich, der gewöhnlich keinen Damenbesuch hat.
Wäre ich jemals freiwillig hierher gekommen? Niemals!
Als ich vor den Spiegel trete, bin ich tatsächlich ein wenig erstaunt, daß ich einigermaßen ok aussehe. Scheinbar hatte ich es schlimmer erwartet. Welche ekligen Substanzen an meinem Körper kleben, sieht der Spiegel offenbar nicht. Und ob meine Augenringe echt sind ...
... oder nur verschmierter Lidschatten, ist mir gerade herzlich egal.
Ich sehe, daß meine Brustwarzen merkwürdig gerötet sind. Aua! Die Berührung tut weh. Was zum Henker ist letzte Nacht bloß passiert?! Es gruselt mich bei dem Gedanken.
Denk nach vorne, versuche ich mir einzureden, du mußt hier weg!
Kann ich es wagen, schnell die Toilette zu benutzen? Ich müßte eigentlich mal dringend pinkeln... Besser nicht, man könnte mich hören. Lieber so schnell wie möglich weg! Und während ich nachdenke tritt mein Fuß auf einen harten Gegenstand:
Ein Schuh. Mein Schuh!
Ich drehe mich um, meine Augen beginnen das gesamte Bad abzuscannen. Tatsächlich, hinter der Badewanne sehe ich meine Jeans auf dem Boden liegen. Kurz darauf finde ich meine Bluse und meinen BH in der Badewanne unter einem Handtuch wieder. Na zum Glück war kein Wasser drin, denke ich mir. Schließlich finde ich sogar meine Handtasche in einem Regal versteckt hinter einem Vorhang. Schnell werfe ich einen Blick hinein: Portemonnaie, Smartphone, Schlüssel, alles drin. Na Gott sei Dank! Nach kurzer Suche taucht auch der zweite Schuh unter dem Waschtisch auf. Nur mein Slip bleibt verschwunden. Mist!
Scheiß drauf! Für die schnelle Flucht brauchst du keinen Slip! Ich beginne in atemberaubender Geschwindigkeit, mir die wiederentdeckten Kleidungsstücke überzustreifen. Ganz vorsichtig ziehe ich den Reißverschluß meiner eng anliegenden Jeans zu.
Meine Augen suchen weiter. Wo ist der verdammte Slip? Nur äußerst ungern ...