1. Was du nicht siehst


    Datum: 19.02.2020, Kategorien: Nicht festgelegt, Autor: bymitternachtigal

    ... möchte ich irgendetwas hier zurücklassen. Und ausgerechnet meine Unterhose! Ganz nebenbei öffnen ich mit dem Fuß den Mülleimer.
    
    Oh nein!
    
    Ganz oben liegen mehrere Kondome -- benutzte Kondome. Das müssen mindestens drei, nein vier oder fünf oder noch mehr sein.
    
    Und es riecht unangenehm. Es riecht... Es riecht so ähnlich wie... Oder nicht? Oder doch?
    
    Schockiert und regungslos stehe ich da, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Eine Träne läuft mir die Wange herab und tropft auf den Boden.
    
    Reiß dich zusammen, Mädchen! Hau ab hier, solange du noch kannst! Du hast keine Ahnung, was hier eigentlich vorgeht! Vielleicht bist du früher als geplant aufgewacht und das ist deine Chance...
    
    Dreimal Durchatmen, ich kneife die Augen zusammen zu einem entschlossenen Blick, balle die Fäuste, spanne kurz meinen ganzen Körper an, atme aus und marschiere los.
    
    Raus aus dem Bad, weiter durch den Flur. Ich gehe barfuß, meine Schuhe in der Hand. Leise. Umsichtig. Achte auf jedes kleinste Geräusch.
    
    Zu meiner Linken ein Raum, ich gehe vorbei. Zu meiner Rechten eine angelehnte Tür, ich gehe weiter. Der Flur knickt ab nach rechts. Ich sehe die Wohnungstür, endlich!
    
    Vorsichtig fasse ich die Klinke. Mein Herz klopft. Ganz langsam und leise drücke ich nach unten. Gleich habe ich es geschafft! Ich ziehe vorsichtig... Die Tür öffnet nicht!
    
    Verdammter Mist!
    
    Panik steigt in mir auf. Meine Hände beginnen zu zittern, erst nur wenig, dann immer stärker.
    
    Scheiße! Ich will ...
    ... nicht in Panik geraten, ich will stark sein! Aber es gelingt mir nicht.
    
    Ich habe Angst, unbeschreibliche Angst. Meine Beine werden immer weicher und mir wird ein wenig schummerig. Ich habe große Mühe, mir nicht ins Höschen zu machen und bin nicht sicher, wie lange ich den verbleibenden Rest an Selbstkontrolle noch aufrechterhalten kann.
    
    Oh nein! Habe ich da gerade ein Geräusch vom anderen Ende des Flures vernommen? Mein Herz rast, ich bin völlig außer Atem. Mein ganzer Körper zittert.
    
    In meinem Kopf spielt die Szene eines alten Schwarzweiß-Gruselfilms, in dem das Mädchen panisch kreischend die Klinke der verschlossenen Fluchttür auf und ab bewegt, während der Mörder immer näher kommt. Ich, die Zuschauerin, denke: „Mach was, dummes Mädchen, gleich hat er dich!"
    
    Und was mache ich jetzt?
    
    Ich höre Schritte näher kommen, oder bilde sie mir ziemlich überzeugend ein.
    
    Denk nach! Die Tür ist verschlossen. Der Schlüssel steckt nicht. Ich schaue links, schaue rechts, kein Schlüssel zu sehen. Die Tür hat merkwürdig viele Schließarmaturen: Ein normales Sicherheitsschloß unterhalb der Klinke, weiter oben ein breites Schlüsselloch für einen doppelseitigen Schlüssel. Dazwischen eine Türkette, die jedoch geöffnet ist. Weiter unten befindet sich noch ein Drehknauf. Ich packe den Knauf und drehe. Tatsächlich läßt er sich eine Umdrehung in Richtung der Tür drehen. Das bedeutet, er muß vorher verschlossen gewesen sein!
    
    Hoffnung.
    
    Ich habe etwas getan -- nicht wie das Mädchen im ...
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