1. Unter ihrer Uniform


    Datum: 20.02.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byEmaSen

    ... ist ein Hotel... äh...«, man hörte einen Zettel entfalten, »Hotel Mendan, ja.« tönte es nun klarer aus dem kleinen Plastiklautsprecher unterm Armaturenbrett. Offenbar war Jörg aus dem Wind getreten.
    
    »Wir kommen.« beendete Wessels das Gespräch. Ein sanfter Aufruhr ging durch den Motor, als er auf der geraden Strecke beschleunigte. Johanna setzte an, etwas zu sagen, da piepte es noch einmal:
    
    »Und, Wessels?«
    
    »Ja?«
    
    »Rasen Sie nicht, die SpuSi ist schon da.«
    
    Wessels verzog die Mundwinkel zu einem abschätzigen Schmunzeln. Jörg kannte ihn zu gut. Vor der Spurensicherung am Tatort zu sein, zählte zu seinem Berufsethos. Es war eine unsägliche Entwicklung der letzten Jahre, dass die Spurensicherung noch vor dem Kommissar benachrichtigt wurde und selbst wenn nicht, schafften diese weißgewandeten Ameisen es doch immer wieder, ihm trotzdem zuvorzukommen. Er würde so oder so auf die Tube drücken - allein schon um Johanna seine Fahrkünste zu beweisen.
    
    Der Tatort war ein schäbiges Hotel am Stadtrand, das sich im Rahmen eines überall ersichtlichen begrenzten Budgets und seiner Lage am Industrieviertel trotzdem Mühe gab, gemütlich und sauber auszuschauen. Vor dem breiten Vordach parkte bereits ein schwarzer Sprinter, an der offenen Doppeltür werkelte einer der zahlreichen Statisten von der Spurensicherung, in ihren halbtransparenten weißen Maleranzügen mit Mundschutz. Alle anderen anonymen Gestalten mussten schon drinnen irgendwo herumwuseln. Wessels stellte das Auto an der ...
    ... Straßenecke ab und schenkte Johanna ein ermunterndes Lächeln.
    
    »Ihr erster Tatort?« fragte er im Plauderton, als sie sich der kalkweißen zerkratzten Aluminiumtür näherten, an den Seiten klebten verheerte Plakatreste und über ihnen funzelte irgendein rosa Neonschriftzug in den grauen Wintertag.
    
    »Nein.« antwortete sie knapp und fügte hinzu: »Natürlich nicht.«
    
    Hoffentlich hatte er sie mit der Frage nicht beleidigt. »Dann haben Sie sich aber gut gehalten.« stellte er grinsend fest und wusste nicht mal, ob er damit gerade einen Witz gemacht hatte. Sie jedenfalls kommentierte diesen Nachsatz nicht mehr. Er sprang zu hektisch vor, um ihr die Tür aufzuhalten, hielt sie aber zu nah an der Angel, sodass seine Kraft nicht ausreichte und sie selber nachschieben musste. Was faselte er da eigentlich für einen Schwachsinn?
    
    An der Rezeption wartete eine abgearbeitete junge Frau mit tiefen Augenringen, die beinahe schon aufgemalt aussahen. Vielleicht wollte sie ja dem Klischee dieses Ortes genüge leisten? Als sie die neuen Besucher entdecke, hellte sich ihre Miene nur unmerklich auf von völlig abweisend zu einer zugewandt zurückgehaltenen Missachtung.
    
    »Ich nehme nicht an, dass Sie einchecken möchten?« vermerkte sie mit einem müden Blick auf ihre Uniformen.
    
    »Nein, danke.« Wessels bemühte sich, das Kakerlakennest eines bemühten Empfangszimmers nicht allzu geringschätzig zu mustern. Man merkte, dass hier jemand, trotz allem, tatsächlich Herzblut hineingesteckt hatte, jemand, der ...
«12...567...63»