1. Unter ihrer Uniform


    Datum: 20.02.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byEmaSen

    ... die Zelle zu begleiten. »Der Richter wird sie wohl nicht unter lebenslänglich davonkommen lassen. Zumindest fürs Erste.« Damit klappte sie ihre Akten zu.
    
    Johanna nickte, wobei sie die geröteten Augen aus der Armbeuge hob. Die Beamten an der Tür warteten auf das offizielle Verhörende, das Paneolus noch nicht bestätigt hatte.
    
    Auf einmal drängte sich die zerstörte Johanna ganz eng an Til und flüsterte ihm auf seine Brust zu: »Die Nacht ist so einsam hier. Bitte -- kannst Du mich heute Abend noch einmal besuchen kommen?«
    
    Sanft griff ihr Wessels ins Haar, wie einem kleinen Mädchen, dem er Trost spendete. Sie spürte sein festes Nicken bis in ihre erhitzte Wange hinein. Er musste sich selbst zwingen, diese Statuette geschundener menschlicher Zerbrechlichkeit von sich zu lösen und in die Obhut der beiden Kollegen zu geben, die sich bei ihr unterhakten und sie davonführten, wobei sie Johanna mehr trugen als dass sie selbst mittrippelte.
    
    Von Paneolus erntete er dafür einen letzten ernsten, aber stumm einverständigen Blick, bevor auch sie hinter der wandgrauen Tür verschwand.
    
    Die Gänge im Zellentrakt dunkelten schummrig. Durch die Gitterfenster am Ende des Gangs leuchtete nachstarre Dunkelbläue, durchwirkt von safrangelben Straßenleuchten, herein. Über eine kleine verstärkte Vordertür mit Bullauge gelangte man in den eigentlichen Flur mit den Gitterzellen für Untersuchungshäftlinge. Wessels schien auf dem Weg hierhin eine Zeitreise durchlaufen zu haben; mit jedem Schritt ...
    ... hin zu den eigentlich schon ausgemusterten Zellen schien das Gebäude älter zu werden, nicht gerade baufälliger, aber dennoch älter: Man merkte es an den Türen und deren Klinken, die irgendwie gummi- und plastikweicher wurden, den erd- und sandigeren Farben der Wände: Ockergelb und Khakibraun und Olivgrün und schließlich die offenen Zellen: Ein kühles Zimmer, dessen vierte Wand ein Schiebegitter war. Ein ebenso neutraler wie spartanischer Raum, in dem er Johanna auf dem unteren Bett von zweien antraf, wie sie blicklos in den Flur starrte. Das Licht blieb gelöscht, Wessels wusste nicht, ob die Insassin die Beleuchtung selbst kontrollierte, oder er sie hätte anschalten können, als er durchs Vorzimmer eintrat, aber ohnehin schien Johanna in der kurzen Zeit ihres Aufenthalts hier zum Nachtwesen mutiert zu sein. Blass, mit irgendwie für ihre Länge zu schmalen Gliedmaßen, sich im Schatten des oberen Bettes bergend und mit dunkel glänzenden Augen ihn musternd, als wolle sie ihn anspringen; wie ein Vampir.
    
    Als Wessels mit dem schweren Schlüsselbund klimperte, den man ihm fraglos überlassen hatte und die deckenhohe Tür rasselnd zur Seite schob, durchlief seine Freundin eine warme Veränderung: Ein Leuchten regte sich in ihrem Gesicht, ihre Schultern strafften sich und das Dunkel der Nacht verflog -- Allein die anregenden, konturgebenden Schatten unter ihren Kurven hafteten ihr beharrlich an, wie komplimentierende schwarze Hilfsgeister; teuflisch.
    
    »Til!« tatsächlich sprang sie ihn ...