1. Das Kartenhaus 03


    Datum: 23.02.2020, Kategorien: Hausfrauen Autor: byCarmen44

    ... Blick mit meinem Werk zufrieden war, stieg ich aus dem Fenster.
    
    Ich weis nicht, wie lange er dort schon stand. Als ich ihn sah, ließ ich vor Schreck die kleine Plastikschale mit den Nadeln fallen.
    
    „Michael!", stammelte ich überrascht. „Micha, wie lange bist du schon hier? Ich habe die Glocke nicht gehört. Warum hast du nichts gesagt?"
    
    Ohne seine Antwort abzuwarten, ging ich lächelnd auf ihn zu.
    
    „Ich freue mich, dass du mich besuchst. Was verschafft mir diese Ehre?" Es sollte stark und souverän, aber nicht zynisch klingen. Wie auch immer ich auf Michael wirkte, werde ich wohl nie erfahren.
    
    Er legte wortlos einen Briefumschlag auf den Kassentisch, drehte sich um und verließ den Laden.
    
    So leise wie er kam ging er auch wieder.
    
    Ich sah Michael lange hinterher. Auch noch, als er schon längst außer Sichtweite war. Vielleicht wollte ich auch nur die Öffnung des Umschlags hinauszögern. Ich hatte ein ungutes Gefühl.
    
    Und das zu recht.
    
    Wie zu einer Zeremonie setzte ich mich auf einen Stuhl und öffnete den Umschlag.
    
    Als hätte ich es erwartet. Er enthielt eine „Einstweilige Verfügung" des Amtsgerichts. Ich durfte mich Michael oder seiner Verlobten nicht weiter als 20 m nähern. Jegliche Kontaktaufnahme zu Michael oder seiner Julia über die Medien und sozialen Netzwerke wurden mir ausdrücklich untersagt. Zuwiderhandlungen können auf Antrag nach § soundso verfolgt und geahndet werden.
    
    Ich war nicht sonderlich geschockt. Irgendwie war Michaels Reaktion ...
    ... zu erwarten. Er war noch nie der Typ, der sich widerspruchslos in sein Leben pfuschen ließ. Wie konsequent er sein konnte, hätte mir spätestens klar sein müssen, als er sich von mir getrennt hat.
    
    Das er mit mir länger als 3 Jahre über seinen eigenen Schatten gesprungen ist, war wohl das Höchstmaß an Toleranz, das ich von ihm erwarten durfte.
    
    Am Tag seiner Hochzeit saß ich mit einer großen Sonnenbrille, einem breitrandigen Hut und einem unscheinbaren Kleid in einem Straßencafe gegenüber dem Standesamt.
    
    Die Hochzeitgesellschaft bildete ein enges Spalier, als Michael mit seiner Julia, strahlend lächelnd, über die breiten Stufen aus dem Rathaus stolzierte.
    
    Sie in einem wunderschönen Brautkleid mit kurzer Schleppe und jeder Menge Spitze im Dekolleté . Wahrscheinlich sündhaft teuer, aber mit jedem Quadratzentimeter sein Geld wert.
    
    Wer auch immer diese langen dichten Haare gebändigt und in diese elegante Form gebracht hat, muss wahrlich ein Profi sein. Die zusätzlichen Leistungen der Kosmetikerin taten ein Übriges.
    
    Julia sah einfach anbetungswürdig aus. Das musste sogar ich neidlos anerkennen.
    
    Michael war für mich natürlich der Punkt, auf den sich meine größte Aufmerksamkeit konzentrierte.
    
    Mit kundigem Blick sah ich, dass er unverkennbar einen Armani-Anzug trug, der ihm wie maßgeschneidert passte.
    
    Ich musste lächeln, als ich die gebundene Fliege an seinem Hemdkragen bemerkte.
    
    Michael hasste alles, was den Hals einengte. Ob Fliege, Krawatte oder ...
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