1. Die Neue!


    Datum: 16.03.2020, Kategorien: CMNF Autor: RebeccaMontez

    ... bitte.«
    
    »Ich bin dir nicht böse«, antwortete ich und meinte es ehrlich.
    
    »Es ist, weil ich so verzweifelt bin.
    
    Meine ganzen Zukunftspläne … alles im Eimer.«
    
    »Ich weiß doch.«
    
    Längeres Schweigen.
    
    »Du glaubst nicht an Gott und hast trotzdem Schwierigkeiten mit Abtreibungen? Ich dachte immer, ihr Gottlosen hättet damit kein Problem.«
    
    Ich ließ sie reden.
    
    »Wie kann man denn in seinem Leben auf Gottes Beistand verzichten, sag mir das mal?
    
    Dieser Halt im Glauben gibt doch Kraft für alle Schwierigkeiten des Alltags.«
    
    »Natürlich hätte ich auch gern einen solchen Halt«, sagte ich, »aber ich bin nicht in der Lage, bestimmte Vorgänge und Realitäten auszublenden.
    
    Ich will auch generell die Existenz eines Gottes nicht ausschließen, aber wenn ein solches Wesen existiert, kann es auf keinen Fall den Menschen gegenüber wohlgesinnt sein.
    
    Der Fall Robert-François Damiens und die Existenz eines liebenden Gottes passen für mich nicht zusammen.«
    
    Wieder einmal mehr bewies Sandra, dass sie einen ungewöhnlich hohen Stand an Allgemeinwissen hatte.
    
    »Was immer Gott dazu bewegt hat, sowas zuzulassen, weiß ich nicht. Denke aber, ER wird seine Gründe dafür gehabt haben.«
    
    »Hohle Phrasen sind mir zu wenig, da musst du mir mehr geben«, erwiderte ich nicht sonderlich feinfühlig.
    
    Sie weinte wieder.
    
    »Ich will das Kind nicht.«
    
    »Dann tu, was du tun musst.«
    
    »Vielleicht hat Gott ja nur geschlafen, oder sich aus- geruht und deshalb ...
    ... nichts mitbekommen.«
    
    Ich wusste nicht sogleich, was sie meinte.
    
    Ihre Schwangerschaft oder das Schicksal des armen Damiens? »Man kann solche Einzelfälle auf keinen Fall als Beweis für die Nichtexistenz Gottes nehmen.
    
    Dieser Damiens ist doch relativ unbekannt.
    
    Wieso kennst du den überhaupt?«, fragte sie mich und wurde wieder wütender.
    
    »Einer meiner Stiefväter ist Psychiater«, sagte ich.
    
    »Bei der Scheidung von meiner Mutter hat er einige Bücher vergessen, darunter eines über „die Begeisterung der Massen bei Zurschaustellung von Gewalt“.
    
    Da ist der Fall in allen Einzelheiten geschildert.«
    
    Sandra schlief in jener Nacht bei mir im Bett.
    
    Zu einem Ergebnis oder einer Entscheidung sind wir nicht gekommen.
    
    Die Schuld, wenn man denn von Schuld sprechen mag, lag bei mir.
    
    Sie wollte, dass ich sie zu einem Schwangerschaftsabbruch überrede.
    
    Das konnte ich nicht.
    
    Ich kann vieles und bin sowieso auf eine gewisse Art jemand der auch fünfe gerade sein lassen kann, aber obwohl ich in keinster Weise religiös war oder bin, ist das Thema Abtreibung ein rotes Tuch für mich.
    
    Am nächsten Morgen war Sandra sichtlich reservierter, wollte auch kein Frühstück, und als ich beim Abschied fragte, was sie nun vorhabe, sagte sie nur:
    
    »Ich fahre zu meinen Eltern nach Heidenheim.«
    
    Ich bot ihr an sie zu fahren.
    
    Das lehnte sie aber ab.
    
    Als ich sie umarmen wollte, drehte sie sich weg.
    
    Ich habe sie danach nicht mehr wiedergesehen. 
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