Vier Jahre Schweigen
Datum: 09.03.2018,
Kategorien:
Schwule
Autor: byRolf_Udo
... miteinander verbracht und uns den Himmel angeschaut. Er war durcheinander wegen meiner Sturheit, nahm aber die Ablenkung willig an.
Ich hatte mir gewünscht, wir würden Freunde für ewig sein, wenn auch Ewigkeit für einen Dreizehnjährigen nicht wirklich greifbar ist. Ich hatte mich danach gesehnt, ihn zu lieben, immer bei ihm zu sein, aber das alles war zerbrochen, und meine einzige Ausflucht war, mich zu verstecken, vor ihm und vor allem vor mir selbst wegzulaufen.
Ich legte den Kuchen zurück in den Korb, holte eine Karte heraus, die ich für ihn gemacht hatte. Sie war aus weißem Zeichenkarton. Ich hatte ein rotes Herz aufgeklebt, ein Ebenbild der Zeichnung auf seinem Skateboard, mit dem Riss durch die Mitte.
Auf der einen Seite stand 'Nick' und auf der anderen Seite des Risses 'Rolf', aber anstelle des Wortes ‚Fragen' stand dort ‚Wahrheit'. Ich reichte ihm die Karte, und er nahm sie achselzuckend an. Ich hatte mir den Text von einem Song ausgeborgt, der meine Gefühle traf. Er öffnete die Karte und las.
Lieber Nick,
„Ich liebe Dich" kann ich nicht sagen
„Ich liebe Dich", kann ich nicht sagen!
Ich kann es nicht, ich bring's nicht 'raus!
Bei jedem and'ren würd' ich's wagen,
doch nur bei dir, da ist es aus.
Wenn ich mich früher nicht geniert hab',
dann war es Spaß, da ging's im Nu.
Doch, sooft ich's bei dir probiert hab',
da schnürt es mir die Kehle zu.
Ich habe dich geliebt,
Rolf
Als es seinen Augen wieder gelang, in meine zu ...
... blicken, waren sie weit geöffnet.
Da waren hundert Möglichkeiten, meine Sätze zu interpretieren. Ich hoffte inständig, dass ich in einer Minute immer noch die Kraft und Stärke besitzen würde, ihm die Wahrheit zu sagen. Die Stärke, die in den schweigenden Sitzungen unter der Buche ihren Ursprung hatte.
Ich sah in sein Gesicht. Es waren viele Fragen darin, die eine Klärung verlangten. Er wollte Antworten und ich sah wieder auf meine Uhr. Ich wartete, dass das neue Lebensjahr beginnen würde. Ich hatte mir selbst versprochen, ihm und auch nicht zuletzt mir selbst dann alles zu gestehen, was mich bewegte. Würde Niklas wieder ein Teil meines Lebens werden, oder nicht? Der Sekundenzeiger meiner Armbanduhr näherte sich Stunde Null. Ende der Verstellung. Wahrheit, komm' ans Licht! Noch eine Sekunde...Mitternacht!
"Ich bin schwul Nick, und ich habe dich geliebt. Ich war so verzweifelt, so erschreckt, so dumm, dass ich gedacht habe, wenn ich dich einfach links liegen lasse, würde sich das ändern."
In den ersten zehn Sekunden seines Ehrentags hatte ich mehr eingestanden als irgendjemand sonst in den letzten vier Jahren. Er saß mir nur gegenüber, erstarrt in der plötzlichen Erkenntnis, die ihm nun endlich eine Erklärung für mein Verhalten bot. Sein Mund öffnete sich und schloss sich wieder, als ob er etwas sagen wollte, ihm aber die Spucke weggeblieben war.
"Ich wünschte, ich wäre mutiger, wie du, oder klüger. Ich würde gerne all den Schmerz, die Verwirrung und die Einsamkeit ...