1. Vier Jahre Schweigen


    Datum: 09.03.2018, Kategorien: Schwule Autor: byRolf_Udo

    ... sah ihn elegant über den Weg gleiten, an diesem Samstag Anfang April. Sein offenes Hemd flatterte hinter ihm, die warme Sonne brachte seine Haut zum Leuchten. Verdammt, er war atemberaubend. Sein Körper war immer noch schlank, aber er war erwachsener geworden, hatte Muskeln bekommen. Ich bildete mir ein, sogar einen Waschbettbauch zu sehen. Normalerweise trug er eine Kleidung, dass man das nicht sehen konnte, aber die warme Sonne heute hatte ihn dazu gebracht, mir ungewollt diesen aufmerksamkeitserregenden Anblick zu bieten. Seine Haare wehten im Wind. Aus meinem Inneren stieg die Frage auf, wie es wohl wäre, seine nackte Brust an meiner zu fühlen.
    
    Ich wollte ihm zurufen, hatte eine Phantasie in mir, dass er mich hören würde, herbeifahren, mich anlachen. Aller Schmerz der letzten Jahre würde hinweggewischt mit der Kraft einen einzigen Kuss', mit dem alles begonnen hatte. Aber mein Mund blieb verschlossen, er kam nicht zu mir, wir küssten uns nicht. Nein, stattdessen starrte ich ihn nur an, und er ignorierte meine Existenz wie gewöhnlich.
    
    Wir spielten unser Fußballspiel, rannten den Platz öfter auf und ab, als ich zählen konnte, bis die rote Sonne tief am Horizont hing. Ich ging nach Hause, genoss die leichte Frühlingsbrise an meiner feuchten Haut. Ich hatte einen trockenen Mund, und ein Trinkbrunnen lud mich geradezu ein.
    
    Ich sah es aus den Augenwinkeln, strich mir die letzten Tropfen Wasser von den Lippen. Ich erkannte seine Umrisse an derselben Buche, unter der ...
    ... wir am letzten Wochenende gesessen hatten.
    
    Verflucht! Warum unterzog ich mich all dem? Ich fand mich selbst wieder vor ihm stehend. Er bemerkte mich nicht, denn seine Augen waren geschlossen, sein Kopf lehnte zurückgelegt am Stamm, und ich sah ihn an.
    
    Sein Fuß bewegte sich im Rhythmus irgendeines Songs, dem er lauschte. Ich beschloss, ihn nicht zu stören. Er sah so ruhig und gelassen aus, und das traf meine Seele mehr als die Blicke, die ich von ihm am letzten Wochenende geerntet hatte.
    
    Es schien mir wie in den Zeiten zu sein, wo er mich glauben lassen wollte, er fühlte nichts mehr für mich. Da war nur ein leerer, verlassener Platz unter der Buche übrig, an dem er seine Gefühle für mich aufbewahrte. Andererseits wollte er mich wissen lassen, dass der Ärger ihn zerfraß, dass er bis zu diesem Tag so stark gelitten hatte, dass ein Hass gegen mich in ihm aufkeimte. Ich bevorzugte das Zweite, denn dann fühlte er wenigstens etwas.
    
    Er war mehr als erschreckt, als er die Augen öffnete und mich geduldig vor ihm sitzen sah, bevor sein Gesicht wieder starr wurde, maskiert von einem starren Blick, den er perfektioniert hatte. Einen kurzen Moment öffnete er den Mund, als ob er mir etwas sagen wollte, zum Beispiel ‚Verpiss dich und verrecke', bevor er wieder entschlossen zuschnappte. Wieder saßen wir da. Ich schaute ihn an, versuchte einen winzigen Teil des Niklas zu finden, den ich einst geliebt hatte, um ihn wieder zu packen und nie mehr gehen zu lassen, während er sich mit ...
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