1. Genugtuung


    Datum: 10.03.2018, Kategorien: Nicht festgelegt, Autor: byTabula2Rasa

    ... Lebensmut einfloss? Ich weiß es nicht.
    
    Klar war mir jedoch, dass ich diese Stadt verlassen muss; so weit weg wie möglich. Ich brauchte einfach Abstand zu allem. Man kann es einen Anflug von Naivität nennen, aber am nächsten Tag kratzte ich jeden Cent zusammen, den ich hatte. Ich packte einen Wanderrucksack mit dem nötigsten Zeug zusammen, hinterließ meinen Eltern einen langen Abschiedsbrief, der alles erklärte, und machte mich direkt auf zum Flughafen. Den nächstbesten Flug habe ich genommen, der mich so weit wie möglich von meiner Heimatstadt weg brachte.
    
    Die 1356 Euro brachten mich letzten Endes bis nach Bangkok. Viel Gutes ist mir über diese Stadt nicht im Gedächtnis geblieben. Die Sprache stellte ein Problem dar, ich wurde ausgeraubt, zusammengeschlagen und verbrachte viel Zeit auf der Straße. Thailand war mir wirklich nicht freundlich gesinnt und ich habe mir große Vorwürfe gemacht, dass ich so gedankenlos in die Welt hinausgezogen bin.
    
    Aber das Schicksal meinte es irgendwann doch gut zu mir. Durch Zufall traf ich einen deutsch sprechenden Argentinier, der mir bei einer Auseinandersetzung mit drei Straßenräubern behilflich war. Er stellte sich als Karl vor; Sohn deutscher Auswanderer, ein 2 m Riese, rau wie Sandpapier, kräftig wirkend wie ein Bär. Zum Dank lud ich ihn auf ein paar Bier ein. Wie ich im Laufe des Abends erfuhr, war er Seemann und arbeitete für eine argentinische Reederei, die verschiedene Frachtgüter weltweit transportiert. Als ich ihm von ...
    ... meiner Situation berichtete, war er ziemlich mitgenommen. Er bot mir an mit seinem Vorgesetzten zu reden. Zuletzt haben zwei Männer das Schiff verlassen und man bräuchte eigentlich dringend Hilfe an Bord. Die Idee gefiel mir, aber wahrscheinlich auch nur, da ich ordentlich einen sitzen hatte. Noch am selben Abend sind wir auf das Schiff und ich wurde dem Kapitän vorgestellt. Ich erinnere mich nicht mehr an viel. Schuld daran war wohl der Alkohol und dass ich so gut wie kein Wort spanisch verstanden habe. Aber der skeptische Blick des Kapitäns ist mir noch heute in Erinnerung. Wen wunderts auch?! Ein dicker, junger Mann, ohne jegliche Erfahrung auf See, möchte auf einem Schiff anheuern, dessen Besatzung eine Sprache spricht, die er nicht versteht. Trotzdem wurde auf Karls Wunsch hin mir das Angebot unterbreitet, auf dem Schiff arbeiten zu können, welches ich auch sofort angenommen habe. Ich bezweifle wirklich, dass ich damals im nüchternen Zustand zugesagt hätte.
    
    Die nächste zusammenhängende Erinnerung besteht aus einem ordentlichen Kater und einem kleinen, schwankendem Raum mit Stockbett, Spind und Bullauge, wobei ich mir erst nicht sicher war, ob das Schwanken nicht durch den Restalkohol verursacht wird. Erst nach einigen Minuten des Zusammenfügens einzelner Erinnerungsbruchstücke begriff ich meine Situation: Wir befanden uns schon auf hoher See und ich verkaterte Landratte war auf dem Schiff einer argentinischen Reederei mit einem mir unbekannten Ziel.
    
    Der erste Monat war ...
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