Dr. Jekyll und Heidi Teil 02
Datum: 21.08.2020,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
Autor: byRomeoReloaded
... waren, und deren Vorstehen von der Wand die Unebenheit der Karte hervorgerufen hatte. Sorgfältig hängte sie die Karte zurück, schob mit den Füßen die Kissen zur Seite und fand weitere Ringe, die in den Boden eingelassen waren.
Erst jetzt sah sie mich an. Ich spürte, dass es ihr vorkam, als sähe sie mich zum ersten Mal wirklich.
Wieder unterbrach eine Frage aus dem Telefon unsere stumme Zwiesprache, und während ich antwortete, verließ Heidi das Zimmer. Sie zog die Tür hinter sich ins Schloss.
Während der letzten Viertelstunde, die ich noch in der Telefonkonferenz bleiben musste, schwitzte ich Blut und Wasser. Was mochte Heidi von mir denken? Wie würde sie ihre Entdeckungen aufnehmen? Würde sie überhaupt noch da sein, wenn ich gleich nach ihr schaute? Jeden Moment erwartete ich, das Klacken der Wohnungstür zu hören. Ein einfaches Geräusch, tausend Mal gehört, aber dieses tausend und erste Mal würde es bedeuten, dass ich sie für immer verloren hätte. Bei der Vorstellung drehte sich mir der Magen um.
Kaum war das Telefonat beendet, schoss ich aus dem Zimmer und durchsuchte die Wohnung nach meiner Geliebten. Ich fand sie mit gesenktem Blick am Küchentisch sitzend. Heidi hatte sich eines meiner T-Shirts übergezogen, trank den vom Abend noch übrig gebliebenen Wein und riss mit den Fingern winzige Stücke von einer Rolle Küchenpapier. Der Tisch war bereits mit zahllosen Fetzen übersät, als ich eintrat.
Wortlos setzte ich mich zu ihr.
„Mit wem machst du sowas?", ...
... fragte sie. Mir kam es vor, als stelle sie hier die zweite Frage vor der ersten, oder vielleicht war es sogar die dritte oder vierte Frage. Aber wer weiß, wie weit sie mit dem Nachdenken über die Situation schon gekommen war.
„Mit niemandem, seitdem wir uns kennen", beteuerte ich. „Vorher gab es eine Frau, eine Professionelle, die ich dafür bezahlt habe. Dann gibt es wenigstens klare Regeln." Das war nur die halbe Wahrheit, aber von meiner längst verflossenen Freundin Esther wollte ich nicht auch noch anfangen.
Heidi nickte. Sie hörte auf, Papierfetzen abzureißen und sah mich an. „Ja, Klarheit ist wichtig."
Ich wartete.
„Vermisst Du es?"
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, Heidi, du gibst mir alles, was ich brauche. Ich will nichts anderes. Wirklich nicht."
Sie sah mich lange prüfend an. Oder vielleicht war ihr Blick auch in sich gekehrt, vielleicht prüfte sie sich selbst. Es war wie verhext, manchmal konnte ich in ihren Augen einfach nichts erkennen.
Sie stand auf, sammelte die Papierfetzen ein und warf sie in den Müll. „Ich gehe jetzt zu mir", kündigte sie an. „Ich weiß noch nicht, wann ich wieder vorbei komme. Ich melde mich, lass mich bitte solange in Ruhe."
Ich blieb sitzen, während sie ins Schlafzimmer ging, um sich anzuziehen. Als kurz darauf die Wohnungstür hinter ihr ins Schloss fiel, war der Tisch bereits wieder voller Papierfetzen. Diesmal von mir.
Für den Rest der Nacht war an Schlaf nicht mehr zu denken. Ich tigerte durch die Wohnung, raufte mir ...