Rapunzel 03
Datum: 11.06.2018,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
Autor: byJoanWilbury
... fast jemandem die Tür ins Auto rammte und heftete sich dem Burschen an die Fersen.
Diese taube Nuss schien tatsächlich nichts von ihrer Umgebung mitzukriegen. Mick hätte sich eigentlich überhaupt nicht die Mühe zu machen brauchen, ihm unauffällig in einem möglichst großen Abstand hinterher zu schlendern. Selbst wenn er ihm von Marschmusik begleitet auf einem Elefanten gefolgt wäre, hätte der Junge sich wohl nicht umgedreht. Trotzdem blieb Mick stehen und tat so, als würde er die Auslage im Schaufenster eines Copyshops betrachten, als Blondie sich anschickte, die viel befahrene Straße zu überqueren. Aus dem Augenwinkel beobachtete er den Jungen. Ein Wunder, dass der sich überhaupt die Mühe machte, nach links und rechts zu gucken. Auf der anderen Straßenseite blieb er vor der Tür eines tristen Fünfziger-Jahre-Mietshauses stehen, fummelte in seiner Hosentasche herum und holte endlich einen Schlüsselbund heraus. Mick stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als er die Tür öffnete und im Treppenhaus verschwand. Gut. Seine Verfolgung hatte hier also ihr Ende gefunden.
Er schlug den Kragen seiner Lederjacke gegen die Kälte hoch und lehnte sich im Eingangsbereich des Copyshops an die Wand. Von hier aus hatte er das Haus, in dem der Junge wohnte, gut im Blick, war aber selbst nicht so leicht zu entdecken. Jetzt hieß es warten.
Darauf, dass seine Ahnung sich bestätigte.
Der fast schon eisige Wind tat ihr gut. Er kam von vorn, sodass Tanita sich gegen ihn stemmen musste ...
... und blies ihr eine widerspenstige Strähne ihres lockigen Haars aus dem Gesicht. Ihr langer Zopf schwang im Rhythmus ihrer Schritte schwer von einer Seite zur anderen. Er kam ihr vor wie eine Last. Ungeduldig warf sie ihn über die Schulter nach vorne, zerrte das Haargummi ab. Mit flinken Fingern löste sie die straff geflochtenen Haare voneinander, bis sie den ganzen Wust ihrer dunklen Locken offen über den Rücken fallen ließ. Wie befreit atmete sie auf, lächelte, als der Wind fast schon grob daran herumzog.
Sie würde ihre Haare abschneiden. Seit Kindertagen hatte sie ihre Locken wachsen lassen, höchstens mal die Spitzen geschnitten. Davon hatte sie jetzt die Nase voll, sie wollte diesen Ballast nicht mehr.
Noch eine Straße und sie würde die Promenade erreichen. Zu dieser Jahreszeit, vor allem jetzt, da es schon fast dunkel war, würde sie mit Sicherheit nur mit wenigen Leuten den rauen Charme der Innenförde teilen müssen.
Mit einem Mal war ihr seine Anwesenheit so präsent, als hätte er ihr einen Schlag versetzt. Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen, spürte, wie ihr Herz sich zusammenkrampfte. Sie wagte es kaum, sich umzudrehen.
Jetzt hatte sie den Wind im Rücken, er wirbelte ihr die Haare ins Gesicht, machte Anstalten, sie in seine Richtung zu schieben. Sie hielt die zerzausten Strähnen fest, konnte den Blick nicht lösen von Mick, der vielleicht zehn Meter von ihr entfernt dastand, ebenso unfähig sich zu rühren wie sie. Seine Lippen öffneten sich leicht, als wollte ...