Rapunzel 03
Datum: 11.06.2018,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
Autor: byJoanWilbury
... er ihr etwas zurufen, aber er brachte keinen Ton heraus. So finster und kalt hatte sein Gesicht noch nie gewirkt.
Er machte einen halben Schritt auf sie zu und das gab den Ausschlag. Ohne nachzudenken, wirbelte sie herum und rannte.
Ein paar Sekunden lang hörte Tanita nichts außer ihrem Atem, den harten Sohlen ihrer Schuhe auf dem Asphalt und ihrem hämmernden Herzschlag. Dann mischten sich seine Schritte in ihr Keuchen, er brauchte nur lächerlich wenig Zeit, bis er sie eingeholt hatte, am Oberarm packte und zu sich herumriss.
Schwer atmend standen sie voreinander. Unwillkürlich hatte sie die Hände hochgerissen, als müsste sie sich verteidigen. Micks Anblick ließ sie tatsächlich schaudern. Seine Augen waren dunkel, es lag kein Funkeln darin, kein Schimmer von Zuneigung. Alles an ihm schien zum Zerreißen gespannt, seine Wangenmuskeln zuckten, so fest biss er die Zähne zusammen.
Bei einer falschen Bewegung ihrerseits würde er explodieren.
Abrupt wandte er den Blick von ihr ab und setzte sich in Bewegung, den Weg zurück, den sie gekommen waren. Er zerrte sie mit sich, stieß sie ein Stück nach vorne und ließ dann ihren Arm los. Stumm ließ sie sich von seiner geballten Wut in ihrem Nacken vorantreiben, dachte nichts, fühlte nur -- Angst.
Sie gingen an Magnus' Wohnhaus vorbei, bogen um eine Ecke, standen vor dem altvertrauten schwarzen Golf.
Woher hatte er gewusst, wo er sie finden würde? Um nichts in der Welt hätte sie es jetzt gewagt, diese Frage zu stellen. ...
... Er öffnete ihr die Beifahrertür, sie stieg ein, schnallte sich mit zitternden Fingern an. Laut knallte die Tür ins Schloss, sie kam sich vor wie jemand auf dem Weg zu seiner Hinrichtung.
Beiläufig registrierte sie, dass unter dem Scheibenwischer ein Strafzettel klemmte. Als er um die Vorderseite des Wagens herumging, riss er ihn ab und warf ihn achtlos beiseite.
Es war die schrecklichste Autofahrt, die Tanita je erlebt hatte. Mick raste nicht etwa, worauf sie sich schon halbwegs gefasst gemacht hatte. Im Gegenteil, er fuhr mit fast erschreckender Besonnenheit. Sonst fluchte er immer beim Autofahren, er konnte sich nie mit Kommentaren zum Fahrstil anderer Verkehrsteilnehmer zurückhalten. Jetzt aber schien ihm alles gleichgültig zu sein, was ihn nicht unmittelbar betraf. Sein Schweigen war so eisig, dass Tanita Magenschmerzen bekam.
Zuhause stieg sie wie vor zwei Tagen vor ihm die Treppe hoch. Kurz kam ihr der Gedanke, bei Frau Kunstein zu klingeln, bei ihr Zuflucht zu suchen. Einer alten Frau würde Mick doch nichts tun, oder? Aber noch während sie darüber nachdachte, hatte sie schon die Treppe ins nächste Stockwerk zur Hälfte hinter sich.
Er schloss auf, ließ sie in die dunkle Wohnung eintreten.
Klack. Geradezu sanft glitt die Tür ins Schloss. Tanita drückte auf den Lichtschalter, presste sich dann mit dem Rücken an die Wand gegenüber der Garderobe, wäre am liebsten mit ihr verschmolzen.
Noch immer war Mick merkwürdig ruhig. Er zog seine Lederjacke aus und ...