Rapunzel 03
Datum: 11.06.2018,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
Autor: byJoanWilbury
... ruhte auf seinem Bauch. Der Blutfleck auf seinem Unterhemd ließ ihn aussehen, als hätte man ihn angeschossen.
Mit ängstlich klopfendem Herzen näherte sie sich ihm, aber Wut und Hass waren verraucht. Er wehrte sie nicht einmal ab, als sie nach seinem Handgelenk griff und ihm vorsichtig einen provisorischen Verband anlegte. Dann zog sie sich einen Schritt zurück und wartete stumm.
„Mit einem Schlag ins Gesicht hätte ich dir nicht so wehtun können, wie du mir wehgetan hast, als du vorhin vor mir weggerannt bist."
Müde und dunkel klang seine Stimme. Kein Vorwurf lag in diesem Satz, sondern bittere Enttäuschung.
Tanita kam wieder näher und setzte sich zaghaft neben ihn auf die Sofalehne. Sie hätte am liebsten geweint, aber sie verkniff sich die Tränen. Jetzt kam es auf die richtigen Worte an, noch mehr als eben bei den Polizisten.
„Ich bin dir dankbar, Mick", fing sie leise an. „Immer warst du da. Du hast alles für mich gegeben. Deine Zeit, deine Liebe, dein ganzes Leben." Sie machte eine kurze Pause. „Du hast mich damit eingesperrt, weißt du? Hast es gekonnt ignoriert, dass ich erwachsen bin.
Dein Mädchen.
Irgendwann hast du angefangen, mich so zu nennen. Aber wenn ich irgendjemandem gehöre, dann nur mir." Langsam schüttelte sie den Kopf. „Das wollte ich selbst genauso wenig wahrhaben wie du. Ich dachte, ich... müsste dir auch alles geben. So wie du mir."
Eine lange Pause entstand, in der sie sich fragte, wie ihre kleine Rede wohl auf ihn wirken ...
... mochte.
Endlich reagierte er.
„Und was ist mit Magnus?"
Sie biss sich auf die Unterlippe. „Tja... ich... habe mich anscheinend verliebt. Und zwar
nicht
, weil ich dich verletzen will, sondern weil es mir einfach passiert ist, genau wie mit dir damals." Aufmerksam betrachtete sie Mick von der Seite. Er verzog keine Miene.
„Davor hattest du immer Angst, oder?", fuhr sie ruhig fort. „Seit wir... zusammen sind. Dass du mich irgendwann an jemanden verlieren könntest. Deshalb wolltest du immer auf mich aufpassen, stimmt's? Das ist der einzige, wahre Grund für... für alles."
Keine Antwort. Nicht einmal ein Stirnrunzeln, Nicken oder Kopfschütteln.
Scheu streckte sie die Hand aus und berührte ihn leicht am Arm. Seine Haut war feucht von Schweiß und fühlte sich heiß an, als hätte er Fieber. Sie sah, wie er schluckte und kurz die Augen schloss.
„Glaub bitte nicht, dass mir das leicht fällt", flüsterte sie mit enger Kehle. Dann stand sie auf und ging ins Schlafzimmer.
Es war nicht viel, was sie mitnahm. Bettzeug, ein paar Klamotten. Ihre Unterlagen für die Uni stopfte sie in ihren Rucksack. Aus dem Bad holte sie ein paar Handtücher und Waschzeug, damit war ihre kleine Reisetasche vorerst voll genug.
In der Innentasche von Micks Jacke fand sie das Handy. Sie ging damit ins Schlafzimmer und kramte den Packen Zettel aus ihrer Hosentasche. Tief holte sie Luft, dann wählte sie die Nummer, die Magnus ihr aufgeschrieben hatte.
„Ja?"
„Ich bin 's", antwortete sie ...