1. Rapunzel 03


    Datum: 11.06.2018, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byJoanWilbury

    ... gehst du denn dann?"
    
    „Weil ich erwachsen bin. Und unabhängig sein will. Du und deine Eltern seid super und ich hab euch wirklich gern, aber trotzdem -- es sind nicht meine eigenen vier Wände, in denen ich lebe. Das fühlt sich auf die Dauer einfach scheiße an."
    
    „Verstehst du, was ich meine?"; fragte Magnus fast aufgeregt. „Wenn du gehen willst und er dich nicht lässt, dann reib ihm genau das unter die Nase! Das, was er dir damals gesagt hat. Du bist doch schließlich auch erwachsen! Und wenn er dich liebt, wie du sagst, und nur das Beste für dich will... na ja, vielleicht lässt er ja dann mit sich reden."
    
    Sie nickte müde. Diese Diskussion würde sie mit Mick nur dann führen können, wenn er sich wieder halbwegs beruhigt hatte. Und er würde es ihr verdammt lange nachtragen, wie sie sich ihm gegenüber benommen hatte. Dass sie einfach so gegangen war.
    
    „Ich werd dran denken", versprach sie trotzdem. Dann stand sie entschlossen auf.
    
    „Danke dir für deine Hilfe. Ich geh jetzt noch ein bisschen spazieren... muss den Kopf frei kriegen."
    
    Er nickte. „Okay. Halt, eine Sekunde noch." Hastig sprang er auf, zog eine Schublade auf und wühlte darin herum, bis er triumphierend einen fast stumpfen Bleistift in der Hand hielt. Er nahm die letzte Seite von Tanitas Aufzeichnungen, wo noch etwas Platz war und kritzelte etwas unter ihren Text. Dann faltete er die Blätter sorgfältig wieder zusammen und reichte sie ihr.
    
    „Hier. Damit du dir keine Gedanken machen musst, dass ...
    ... irgendjemand das hier gegen deinen Willen zu Gesicht bekommt. Und außerdem hast du jetzt endlich für alle Fälle meine Telefonnummer."
    
    Tanita nahm das Papier entgegen und steckte es wieder in ihre Hosentasche. „Noch mal vielen Dank", sagte sie und schenkte ihm ein Lächeln. Noch einen winzigen Augenblick zögerte sie, dann trat sie einen Schritt auf ihn zu und drückte ihn kurz.
    
    „Bis dann, mein Lieber."
    
    Vorsichtig erwiderte er ihre Umarmung. „Mach 's gut. Viel Glück."
    
    Glück war es wohl eher weniger, was sie brauchte, dachte sie, als sie Magnus' Wohnhaus in Richtung Hafen verließ. Eher die richtigen Worte zum richtigen Zeitpunkt.
    
    ***
    
    Zur Uni war sie anscheinend nicht gegangen. Auf gut Glück war er hingefahren, hatte vor dem Physikzentrum gewartet, wo sie Freitags normalerweise einen Kurs besuchte. Fehlanzeige. Ein Haufen junger Leute strömte gegen zwei Uhr nachmittags aus dem Gebäude, aber sein Mädchen war nicht darunter. Dafür entdeckte er diesen langen Lulatsch, mit dem er sie einmal zusammen gesehen hatte, an dem Tag, als ihm dieser dämliche Unfall passiert war. Was für ein Milchreisbubi. So bescheuert hatte er in dem Alter garantiert nicht ausgesehen.
    
    Ohne tiefere Absicht folgte sein Blick dem Jungen. Irgendwie machte der einen bedrückten Eindruck, er schlurfte für sich alleine in Richtung Bushaltestelle. Wie aus heiterem Himmel traf Mick eine Erinnerung. Tanita hatte ihn zum ersten Mal im Krankenhaus besucht und irgendwie kam es dazu, dass er sie nach diesem Typen ...
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