1. Der lila Duft des Lavendel


    Datum: 07.06.2021, Kategorien: Erstes Mal Autor: byfreudenspender

    Der lila Duft des Lavendel
    
    Kapitel 1
    
    Der schwere Duft von Lavendel hängt allgegenwärtig in der Luft. Die lilafarbenen Felder gleiten an mir vorbei und wirken schier endlos. Die Weite ist überwältigend. Für einen Stadtmenschen wie mich wirkt das alles völlig unrealistisch. Ich kenne solche Landschaften nur von Bildern. Sie schauen aus, wie gemalt. Das intensive Licht des Spätnachmittages verleiht der Stimmung eine besondere Intensität, etwas Mystisches.
    
    Passender zum Anlass, der mich in diese Gegend führt, könnte die Atmosphäre nicht sein. Lila ist die Farbe des Todes und der Trauer. Genau damit hat mein Besuch in der Provence zu tun.
    
    Zuerst wollte ich gar nicht herkommen. Mein Onkel Roland liegt im Sterben und hat mich von seinem Notar anrufen lassen. Er selbst sei zu schwach dazu, hat der Notar erklärt.
    
    An Onkel Roland kann ich mich zwar noch dunkel erinnern, aber es ist sehr, sehr lange her. Er hat vor vielen Jahrzehnten zusammen mit meinem Vater - seinem Bruder - einen Landsitz in der Provence gekauft. Ich durfte dort ein paar Mal meine Ferien verbringen und fand den Onkel eigentlich richtig cool, soweit ich mich eben erinnern kann. Auch der Landsitz war einmalig schön.
    
    Die Erinnerungen sind sehr verschwommen und vermutlich von meiner kindlichen Wahrnehmung geprägt. Auf jeden Fall habe ich diese Zeit als eine der tollsten meines Lebens in Erinnerung. Inzwischen bin ich jedoch ein erwachsener Mann und sehe die Welt mit etwas anderen Augen.
    
    Zwischen den ...
    ... beiden Brüdern kam es irgendwann zum Streit. Ich war noch ein Kind und habe nicht mitbekommen, worum es wirklich ging. Soweit ich mitbekommen habe, wurde das Gut auf Onkel Roland überschrieben und der Kontakt ist wenig später komplett abgebrochen. Ich bin nie mehr in die Provence gefahren. Das ist, wie gesagt, ewig her und ich verstehe nicht, was ich mit alledem noch zu tun habe. Was mache ich hier eigentlich?
    
    Mein Vater ist vor fünf Jahren gestorben. Er hat mir ausdrücklich verboten Onkel Roland zur Beerdigung einzuladen. Zwischen den beiden muss etwas sehr Schwerwiegendes vorgefallen sein. Mein Vater war eigentlich kein nachtragender Mensch. Wenn er also bis in den Tod hinein den Kontakt mit Onkel Roland nicht wieder aufnehmen wollte, dann muss etwas äußerst Gravierendes vorgefallen sein. Doch was genau, hat mein Vater nie erzählt. Er hat dieses Geheimnis mit ins Grab genommen.
    
    Auch meine Mutter wollte mir nie wirklich die Wahrheit sagen. Auf meine Fragen hat sie immer nur ausweichend geantwortet. Die beiden hätten gestritten, hat sie immer erklärt. Mehr wolle sie dazu nicht sagen. Und nun kam dieser Anruf.
    
    Ich bin Arzt und arbeite in einem Krankenhaus in Frankfurt. Mein Job füllt mich aus. Das heißt jetzt nicht, dass ich nur für den Job lebe. Ich unternehme durchaus einiges und bin gern mit Leuten zusammen. Eine feste Freundin habe ich im Augenblick nicht. Natürlich habe ich das eine und das andere Techtelmechtel, eine längere Beziehung habe ich schon seit Langem ...
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