1. Der lila Duft des Lavendel


    Datum: 07.06.2021, Kategorien: Erstes Mal Autor: byfreudenspender

    ... Onkel kann das nicht sein.
    
    „Wer ist da?", höre ich eine schwache Frauenstimme rufen.
    
    „Guten Abend, ich bin Thomas Führmann, Roland hat mich eingeladen."
    
    „Ach, Sie sind schon das?"
    
    Ich höre, wie sie die Tür aufsperrt. Das Geräusch erinnert an ein schweres, altes Schloss. Als die Tür mit einem leisen aber bis ins Mark gehenden Quietschen vorsichtig geöffnet wird, bin ich gespannt, wer mir öffnet. Im Türspalt erscheint eine zierliche, junge Frau. Mir fällt sofort ihr ausgesprochen freundliches Lächeln ins Auge. Und sie ist hübsch, unsagbar hübsch sogar. Sie hat gewellte, braune Haare, ein zartes Gesicht mit hohen Wangenknochen und eine sehr zierliche Figur.
    
    Auch wenn ich sie im Halbdunkel des Türeingangs nur recht schemenhaft erkenne, bin ich von ihrem Anblick überwältigt. Besonders ihre Augen ziehen mich in ihren Bann! Ich kann die Farbe nicht erkennen, aber sie sind neugierig und offen. Noch nie hat mich der Blick eines Menschen so fasziniert.
    
    „Guten Abend, Herr Führmann, willkommen", meint sie. Dabei streckt sie mir ihre Hand zum Gruß entgegen.
    
    „Guten Abend, mit wem habe ich das Vergnügen?"
    
    „Ich bin Vera, die Stieftochter Ihres Onkels", antwortet sie.
    
    „Sollten wir dann nicht Du zueinander sagen? Du bist schließlich meine Cousine."
    
    „Nicht die leibliche Cousine", antwortet sie schüchtern. „Aber das macht eigentlich nichts."
    
    „Schön habt Ihr es hier", versuche ich das Gespräch in Gang zu halten.
    
    „Ja, danke."
    
    Wir stehen uns etwas ...
    ... verlegen im langen Flur des Hauses gegenüber. Auch hier drinnen spendet nur eine schwache Lampe ein sehr gedämpftes Licht. Wir wissen beide nicht recht, was wir sagen sollen. Die Situation ist für uns beide ungewohnt und neu.
    
    „Darf ich hier im Haus wohnen?", frage ich vorsichtig.
    
    „Ach ja, entschuldige. Natürlich! Ich zeige dir dein Zimmer. Du hast nach der langen Fahrt sicher Hunger."
    
    „Nur wenn es keine Umstände macht."
    
    „Nein, nein, du darfst nur nicht anspruchsvoll sein", meint sie.
    
    Vera geht zur Treppe und schaut sich dort zur Sicherheit noch einmal um, ob ich ihr auch wirklich folge. Als sie sieht, dass ich mit meinem Koffer hinter ihr bin, dreht sie sich wieder um und geht die Treppe nach oben. Ich habe den Eindruck, sie versucht so leise wie möglich zu sein. Das leise Knarren der Holzstufen klingt in der Stille viel lauter, als es in Wirklichkeit ist. Oben angekommen geht sie auf eine Tür zu und öffnet sie.
    
    „Das ist dein Zimmer. Mach dich frisch und komm danach hinunter ins Esszimmer."
    
    „In Ordnung, ich komme in zehn Minuten."
    
    Das Zimmer ist einfach aber sauber. Die Einrichtung wirkt ein wenig zusammengewürfelt, doch das ist am Land halt so. Man nimmt, was man hat und was zweckmäßig ist. Ich wasche mir Hände und Gesicht, schlüpfe schnell in praktische Kleidung und mache mich auch schon wieder auf den Weg nach unten.
    
    Dort angekommen schaue ich mich kurz um, um mich zu orientieren. Ich weiß schließlich nicht genau, wo ich hinmuss. Aus einer halb ...
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