Der lila Duft des Lavendel
Datum: 07.06.2021,
Kategorien:
Erstes Mal
Autor: byfreudenspender
... nicht mehr. Dabei kann ich nicht sagen, woran es genau liegt. Natürlich haben die oft langen Arbeitszeiten und die Nachtschichten eine Mitschuld daran, aber eher liegt es wohl daran, dass ich mich nicht wirklich binden will. Ich genieße viel lieber meine Freiheit solange ich noch kann. Es wäre aber auch möglich, dass ich einfach nur noch nicht die Richtige getroffen habe.
Vor zwei Tagen kam dann dieser Anruf. Mit so etwas hatte ich am allerwenigsten gerechnet und war auch entsprechen irritiert. Erst im Nachhinein sind mir unzählige Fragen eingefallen, die ich dem Notar hätte stellen können. Er hat mich ganz einfach überrumpelt. Kurzum, am Ende des Telefonats habe ich mich breitschlagen lassen und habe mich auf den Weg zum Anwesen meines Onkels gemacht. Ich habe eine Woche Urlaub genommen. In die Provence zu fahren ist sicher nicht schlecht. Ich soll ja sowieso Urlaubstage abbauen und, wenn ich schon einmal den weiten Weg auf mich nehme, dann soll es sich auch lohnen. Deshalb habe ich mir vorgenommen, die Zeit zu nützen und zu entspannen.
Was wird mich erwarten? Warum will mich mein Onkel nach so vielen Jahren wiedersehen? Ich bin kein berühmter Arzt, den er um Rat oder gar um Hilfe bitten könnte. Ich bin nur ein kleines Rädchen in den Krankenhausmühlen. Mit meinem Beruf als Arzt kann es nicht zusammenhängen. Warum ruft eigentlich ein Notar an?
Ich verbanne die nutzlosen Fragen aus meinem Kopf. Hier und jetzt bekomme ich sowieso keine Antworten. Viel klüger ist es, ...
... ich genieße die herrliche Landschaft, die an mir vorbeizieht und die sich scheinbar endlos zu wiederholen scheint. Gerade diese Endlosigkeit und diese Weite sind faszinierend. Als Stadtmensch kenne ich nur Begrenztheit und Enge. Nicht nur räumlich. Bei vielen Menschen habe ich diesen Eindruck auch bei ihrem Denken.
Der späte Nachmittag ist wohl die schönste Zeit des Tages. Die Sonne ist nicht mehr so gleißend und das Licht nicht mehr so stark. Und doch schenkt es der Landschaft Farben, die schöner und intensiver nicht sein könnten. Die von der Erde aufsteigende Wärme gibt den Bildern mit ihrem Flimmern etwas Surreales. Ich spüre förmlich, wie die Wärme des abendlichen Lichtes auch mein Herz erreicht.
Es dämmert bereits, als ich das Chateau erreiche. Die Sonne ist untergegangen und die Nacht breitet sich langsam aber schleichend über der Landschaft aus. Die Dunkelheit kommt mir vor wie ein alles bedeckendes Tuch, unter dem die Welt zu verschwinden scheint. Ich empfinde die Stimmung als beklemmend. Oder bilde ich mir das nur ein, weil mein Onkel möglicherweise im Sterben liegt?
Vom Parkplatz aus führt ein mit Bachsteinen belegter Weg, gesäumt von Zypressen und blühenden Sträuchern hinauf zum Haupthaus. Die Lampe über dem Haupteingang spendet nur wenig Licht. Eine Klingel kann ich nicht finden und klopfe deshalb an die Eingangstür. Schon bald höre ich ein helles Trippeln aus dem Inneren des Hauses. Es müssen die Schritte eines Mädchens oder einer zarten Frau sein. Mein ...