1. Der lila Duft des Lavendel


    Datum: 07.06.2021, Kategorien: Erstes Mal Autor: byfreudenspender

    ... Geste. Das Mädchen tut mir so unsagbar leid. Ich kann sie gut verstehen, für sie stürzt im Augenblick ihr gesamtes bisheriges Leben ein. Es wird nichts mehr so sein, wie sie es bisher gekannt hat.
    
    Zu meiner Überraschung lehnt sie sich an mich und hält ihren Schmerz nicht länger zurück. Die Tränen kullern nur so über ihre Wangen und sie drückt ihren Kopf Schutz suchend gegen meine Brust. Ganz unwillkürlich lege ich meine Arme um sie und streiche ihr sanft zur Beruhigung über den Rücken.
    
    Wir stehen eine ganze Weile nur so da, ohne zu sprechen. Ich fühle, dass es im Augenblick besser ist, einfach nur für Vera da zu sein, sie im Arm zu halten und still zu sein. Sie braucht im Moment eine Schulter, an der sie sich anlehnen und ausweinen kann. Auch wenn wir genau genommen Fremde sind, spüre ich doch eine unglaubliche Verbundenheit mit diesem Mädchen.
    
    „Du musst mich für eine fürchterliche Heulsuse halten", meint sie schließlich weinerlich.
    
    „Nein, das tue ich nicht."
    
    „Na was denn sonst? Du kommst nach einer langen Reise hier an und ich heule dir die Ohren voll."
    
    „Du hast allen Grund dazu. Der nahe Tod eines lieben Menschen ist für niemanden einfach. Und wenn es noch dazu der einzige Mensch ist, der einem wirklich etwas bedeutet, dann umso mehr. Ich habe auch meinen Vater verloren. Ich weiß, was du empfindest."
    
    „Ich möchte stark sein. Ich muss auch für ihn stark sein", meint sie beschwörend.
    
    „Du liebst ihn sehr?"
    
    „Er war fast mein ganzes Leben lang immer ...
    ... für mich da. Er ist mein wirklicher Vater", erzählt sie. „Mein leiblicher Vater hat sich nicht ein einziges Mal gemeldet. Dem bin ich scheißegal."
    
    „Wie alt warst du, als du zu ihm gekommen bist?"
    
    „Meine Mutter hat Roland kennengelernt, da war ich vier Jahre alt. Das war die große Wende in meinem Leben, alles hat sich zum Guten gedreht. Wir haben zuvor in einer kleinen Wohnung in der Stadt gewohnt. Nicht in einem Nobelviertel, sondern in einer Ecke der Stadt, wo die wohnen, die nicht viel Geld haben. Dieses Anwesen ist mir von Anfang an vorgekommen, wie das Paradies. Vorher gab es Tage, da hatten wir nichts zum Essen und hier gab es alles im Überfluss. Ich hatte endlich einen richtigen Vater!
    
    Er hat mit mir gespielt, er hat mit mir gelacht, er hat mir Geschichten vorgelesen und vor allem, er hat mich getröstet, wenn ich gefallen bin und Schmerzen hatte. Roland hat mir alles beigebracht, was ich heute kann. Ohne ihn wüsste ich nicht, was aus mir geworden wäre. Er ist der einzige Vater, den ich je hatte."
    
    „Und was wurde aus deiner Mutter, wenn ich fragen darf?"
    
    „Sie ist vor etwa acht Jahren gestorben. Auch da war Roland für mich da. Er hat mich über den schweren Verlust hinweggetröstet. Er hat mich in den Arm genommen, wenn ich traurig war und er hat alle meine Launen ertragen. Doch diesmal habe ich niemanden mehr, der mich auffängt."
    
    „Nun ja, deine Launen kenne ich noch nicht und kann nicht sagen, ob sie auszuhalten sind", sage ich. „Aber ich bin auf jeden Fall ...
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