Merlins Kinder 06.2 Hexenjagd
Datum: 26.04.2022,
Kategorien:
Sci-Fi & Phantasie
Autor: byPhiroEpsilon
... Zweistromland. Die Hölle hatte ihre Zentren ebenfalls dort. Asmodais Palast stand in Ur am Euphrat, Satans in Memphis am Nil, die der anderen Fürsten in den Städten dazwischen. Während Asmodai, wie ich gerüchteweise gehört hatte, im Laufe der Zeit mehrfach umgezogen war — Athen, Rom, Bagdad, Paris, also immer dahin, wo das Leben pulsierte — hatte der Satanspalast nur einmal in fünftausend Jahren seinen Standort gewechselt.
Nämlich dahin, wo auf der Erde die katholische Kirche ihr Zentrum hatte. Nach Rom, oder genauer gesagt, in den päpstlichen Palast.
"Wie kommen wir dahin?", fragte Leon. "Gibt es da auch einen Teleporter-Aufzug?"
"Selbst wenn, wäre das viel zu auffällig. Auch wenn wir Satan irgendwann einmal persönlich gegenübertreten müssen, sollten wir bis dahin versuchen, unentdeckt zu bleiben."
"Also fliegen wir?"
"Nein", sagte ich. "Wir nehmen den Zug. Dann können wir uns ausschlafen und sind morgen früh fit, wenn wir ankommen."
*
Der Bahnhof war natürlich von verdammten Seelen überfüllt. Sie standen enggedrängt und schwitzend auf den Bahnsteigen und hofften, dass ihre Züge pünktlich kamen. Was sie natürlich nie taten.
Wenn dann einmal ein Zug kam, waren alle Waggons überfüllt, und niemand machte Anstalten auszusteigen. Die Türen öffneten sich, und Körper wurden sichtbar von Seelen, die sich krampfhaft an Griffen festhielten, um nicht von der Masse im Zug hinausgedrückt zu werden. Nach langer, langer Zeit schlossen sich die Türen gewaltsam ...
... und schoben die Seelen in den Waggons ineinander.
Ich bewunderte die Kreativität derjenigen, die all diese Strafen entworfen hatten. Zu meiner Zeit konnten wir jede Seele individuell bestrafen, doch wenn die Zahlen stimmten, die Leon genannt hatte, war Massenabfertigung heutzutage tatsächlich die einzige Möglichkeit.
Es war ja nicht so, dass die Seelen auf dieser Ebene der Hölle sich gravierender Missetaten schuldig gemacht hatten. Das, was die Christen "Todsünde" nannten — Mord, Folterungen, Verstümmelungen, Vergewaltigungen — wurde eine Etage tiefer abgehandelt. Feuer, Schlamm oder Foltermaschinen gab es schon damals. Was dafür heutzutage benutzt wurde, würde mich schon interessieren. Nach allem, was ich bei Leons Vorlesungen gehört hatte, schien zum Beispiel Elektrizität eine wirksame und saubere Foltermethode zu sein. Nein, die Seelen hier oben hatten wohl alle gehofft, nach dem Tod in "eine bessere Welt" zu kommen. Sie hatten sich nie "richtig" strafbar gemacht. Doch negative Grundeinstellung gegenüber anderen Menschen, ununterbrochene Bestrebungen, sich selbst Vorteile auf Kosten anderer — vor allem Schwächerer — zu verschaffen, führte häufig dazu, dass sie am Ende ihres Lebens zu viele Minuspunkte angesammelt hatten, als dass die Waage zu ihren Gunsten hätte ausschlagen können.
Also: Hölle. Ständige Bestrafung. Ewige Verdammnis zu Langeweile und unendlichen Wiederholungen.
Leon und ich wurden von einem sehr dienstbeflissenen Dämon auf Wegen "nur für den ...