Die Mitte des Universums Ch. 047
Datum: 03.10.2022,
Kategorien:
Erstes Mal
Autor: byBenGarland
47. Kapitel -- Milch und Wein
Nun, gegen Ende September, setzte ein gewisser Aktivismus ein unter den jungen Damen, mit denen ich den Sommer verbracht hatte: Tina hatte einen jungen Mann wiedergetroffen, mit dem sie in der Oberschule einmal in einer Tanzgruppe gewesen war, und Linh, die am Ausziehen vor ihrer Webcam so viel Gefallen fand, hatte ihrem Soldaten geschrieben und sich entschieden, die letzte Woche bevor sie wieder nach Saigon zurückmusste, ihn an der chinesischen Grenze, wo er stationiert war, zu besuchen. Selbst Tuyet hatte keine Zeit für mich, wobei ich nicht wusste, ob auch sie hier in unserer Stadt noch schnell ein amouröses Abenteuer begonnen hatte. Und auch Nguyet ließ durchblicken, dass sie einen Mann kennengelernt hatte.
Als ich gerade am Überlegen war, wie ich mit der neuen Situation umgehen könnte — die scharfen Projekte, die wir angedacht hatten, würden wohl jetzt alle erst einmal ins sprichwörtliche Wasser fallen — sah ich eines Montagmorgens ein Foto auf Facebook, das mich auf vielfältige Weise berührte. Auf dem Bild war eine ehemalige junge Kollegin von unserer Schule, die vor vielleicht zwei Jahren von der Bildfläche verschwunden war. Jeder wusste, dass Nga nicht außergewöhnlich kompetent gewesen war, und so hatte meine Chefin sie wohl einfach ziehen lassen.
Besagte junge Kollegin war, wie gesagt, eher unbeholfen gewesen. Man wusste nie, ob sie wirklich verstand, worum man sie bat. Manchmal brachte sie das Falsche oder nicht alles, ...
... worum man gebeten hatte. Mir hatte sie damals immer auch ein wenig leidgetan, weil sie nie mit den anderen jungen Damen Selfies machte, scherzte oder lachte. Sie war ein paar Jahren älter und einfach verdammt schüchtern. Nga und ich waren allerdings seit Jahren auf Facebook befreundet, so dass ich schon immer mal ein paar Fotos von Kurzreisen sah, die sie mit ihren Freundinnen unternahm. Mit anderen Worten: Sie hatte schon einigermaßen Spaß am Leben, wie es schien.
Seit Nga unsere Schule verlassen hatte, arbeitete sie in einem Klamottenladen in Saigon, hatte ich immer gedacht. Als sie das Foto von sich gepostet hatte, entspann sich zwischen uns ein langer Dialog direkt unter dem Foto und dann weiter als Privatnachrichten, und sie sagte mir, dass sie doch noch in unserer Kleinstadt wohnte; sie gab privat Englischunterricht und der Laden war ein Online-Geschäft. Mit anderen Worten, wir konnten uns schon wieder einmal treffen, wenn wir das wollten.
Nga war mir nie als schön oder reizend aufgefallen, wobei sie genauso wenig das Gegenteil verkörperte. Ja, sie war ein bisschen verpeilt und ziemlich unscheinbar -- eben eine sprichwörtliche graue Maus, die aber dennoch versuchte, etwas aus sich zu machen. Sie war immerhin ausgebildete Englischlehrerin, aber ihre zaghaften Versuche, sich zu verhübschen, gingen oft nach hinten los. Jedes Mal, wenn sie früher an unserer Schule mit einer neuen Frisur aufgelaufen war, zum Beispiel, war mein erster Gedanke: ‚Vorher war zwar auch nicht ...