1. Realität


    Datum: 03.08.2023, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie Autor: byNNNM

    ... knackte es, und sie brauchte einen Moment, um Tobias Stimme am anderen Ende der Leitung zu erkennen. Er klang aufgeregt, und die starken Hintergrundgeräusche - war er nicht zu Hause? - machten es schwierig, ihn zu verstehen. Er faselte etwas davon, dass er verhört worden sei, und sie umgebracht werden sollte. Bevor sich nachfragen konnte, hatte er schon wieder aufgelegt.
    
    Sie brauchte einen Moment, bis sie wieder klar denken konnte, denn der Anruf hatte ganz widersprüchliche Gefühle in ihr hervorgerufen. Einerseits hatte sie mit ihm abgeschlossen. Er war nur irgendwer, dem sie in ihrem Leben begegnet war, und den sie reingelegt hatte. Andererseits fühlte sie sich erleichtert, dass er, warum auch immer, an sie dachte und sich offensichtlich um sie sorgte. Und schließlich wurde ihr ein wenig mulmig. Sie hatte zwar keine Angst - dafür war der Gedanke, dass sie getötet werden sollte, einfach zu absurd - andererseits war ihr klar, dass sie beide einer Sache auf die Spur gekommen waren, die man bestimmt geheimhalten wollte, und dass es Versuche geben würde, dessen Bekanntwerden zu verhindern. Sie hatte keinen Grund daran zu zweifeln, dass Tobias tatsächlich festgenommen und verhört worden war.
    
    Sie ging wieder in die Küche - kaum mehr als einer Besenkammer, die nicht etwa durch eine weiße Tür, sondern durch einen Verschlag aus Spanplatten vom Hauptzimmer abgetrennt war - und fuhr fort, das Abendessen zu machen. Sollte sie wirklich einfach so fliehen? Dieser Gedanke schien ihr ...
    ... völlig blödsinnig.
    
    Erst während sie beim Essen saß - ohne das Paralanin sahen die Nudeln wie getrocknete Regenwürmer aus und schmeckten mehlig - beschloss sie, dass es zumindest nicht verkehrt sein konnte, für ein oder zwei Tage zu verreisen. Sie rief Rebecca, eine alte Freundin aus Studienzeiten an, die jetzt in der Nähe von Frankfurt wohnte, und fragte, ob sie für einige Tage vorbeikommen könne. Sie wusste, dass Rebecca alleine lebte, und dass sie sich immer über Besuche gefreut hatte. So auch diesmal.
    
    Gerade hatte Kay ihre kleine Reisetasche mit den Sachen für ein paar Tage gepackt, als es klingelte. Auf dem Bildschirm in der Diele konnte sie an der Uniform erkennen, dass es der Mann vom Paketservice war. Erst als sie die Tür schon geöffnet hatte, wurde ihr bewusst, dass sie überhaupt keine Lieferung erwartete. Doch da war es auch schon zu spät.
    
    Zwar sagte der Mittdreißiger, der sich mit einer gewandten Bewegung in ihre Wohnung gedrängelt hatte, "Eine Lieferung für Frau Lehmann, bitte!" Aber kaum, dass er die Tür hinter sich geschlossen hatte, hatte er statt einem Paket einen Revolver mit Schalldämpfer in der Hand.
    
    "Es ist nichts Persönliches." sagte der Mann überflüssigerweise. Er hatte jetzt sein Liefermann-Lächeln abgelegt und eine ausdruckslose, ja vielleicht etwas traurige Miene aufgesetzt. Aber Kay nahm das nur wie durch einen Schleier war. Wie hypnotisiert gehorchte sie ihm, als er ihr befahl: "Ab ins Schlafzimmer! Ich werde zusehen, dass du es schnell ...
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