London Calling 06
Datum: 26.08.2018,
Kategorien:
Erotische Verbindungen,
Autor: byplusquamperfekt
... es alles noch künstlich und geschauspielert gewirkt. Jetzt hatte ich keine Schwierigkeiten in das Stück abzutauchen und gegen die vor meinem geistigen Auge auftauchenden Erinnerungsfetzen abzuwägen. Sara schien auch völlig gefangen und obwohl sie das Stück ja gelesen hatte, saß sie fast während der gesamten Vorstellung mit offenem Mund da.
Die letzte, dramatische Szene. Der Schlussdialog. Mir pochte wild das Herz, als die Darsteller sich zusammen aufstellten und verneigten, denn einen Vorhang gab es dort nicht. Wildes Geklatsche setzte ein und einer nach dem anderen stand auf. Als Sophie hervortrat und sich verneigte, schwoll der Beifallssturm deutlich an. Ich war viel zu überwältigt von den ganzen Eindrücken, spürte gar Tränen in meinen Augen. Kev eilte zu mir und klopfte mir auf die Schulter, was ich ihm denn auch gleichtat. Ich glaube nicht, dass es ohne seine hervorragende Regie so gut gelaufen wäre.
Wir feierten unseren Erfolg dann hinterher noch im Westend. Sogar Bill war voll des Lobes und schien über seinen leichten Neid recht gut hinweggekommen zu sein. Ich bedankte mich bei allen Beteiligten für ihre harte Arbeit und war selig und betrunken genug, um auch Sara für ihre Inspiration zu danken. Sie verzog etwas das Gesicht, aber bemühte sich, daran keinen Anstoß zu nehmen.
Ich hatte mir den Folgetag freigenommen und las ungeduldig die ersten Rezensionen. Der Mann vom Independent fand das Stück zu elitär und pompös, lobte aber die Vorstellung der englischen ...
... Schauspielerin, Claire, die meine Psychologin gespielt hatte und eine Freundin von Kev war. Sie war ansonsten auf größeren Bühnen und im Fernsehen zu Hause. Ich persönlich hatte ihre Performance als ein wenig überprofessionell eingeschätzt. Im Evening Standard stand zumindest „ein gutes Stück" und dann wurden insbesondere Sophies und Claires Leistungen sehr gut bewertet.
Ausgerechnet in der Times fand ich dann völlig überraschend die positivste Kritik zum Stück, was vielleicht daran lag, dass der Kritiker leidenschaftlicher Schachspieler war und besonders von dieser Komponente begeistert gewesen war. Er pries mich als „das größte englische Dramatalent der letzten zwanzig Jahre" an, obwohl in unserer Pressemappe recht eindeutig belegt war, dass ich Deutscher war. Überhaupt sparte er nicht mit Superlativen.
Wie dem auch sei, seine und auch spätere positive Kritiken in Veranstaltungsmagazinen und kleineren Zeitungen sorgten dafür, dass wir über die geplanten vier Wochen hinaus noch sechs weitere Wochen zunächst ausverkaufte und danach immer noch gut besuchte Vorstellungen hatten. Der Theaterbesitzer gab mir prompt zu verstehen, dass ich auch alle weiteren meiner Stücke dort zur Aufführung bringen durfte.
Ich aber war völlig leer. In einer eigenartigen Umkehrung der Euphorie schlug ich mental lang hin. Das neue Stück, was ich eher organisch entwickeln wollte, war an einer Stelle angelangt, wo nach echten Statements gefragt wurde. Ich saß da und dachte, nun da ich weiß, dass ...