1. Krieg und Liebe: Tanganjikabahn


    Datum: 30.03.2024, Kategorien: Romantisch Autor: JoeMo619

    ... Oberstleutnant, mit dem ich mich ein wenig angefreundet hatte. Wir hatten beide mittlerweile einiges getrunken.
    
    "Stimmt uneingeschränkt", pflichtete er mir bei. "Wenn man nach Liebeserfahrung sucht, wird man nur unter Indern oder Afrikanern fündig", grinste er. "Hier im Deutschen Club gibt es nur liebe, unerfahrene Jungfrauen." Wir prosteten uns erneut zu, dann setzte er aber nach. "Sie gehen ja in Frühjahr nach Kigoma, lieber Henschel. Wenn sie auf Gräfin von Cleve und ihre Umgebung treffen, werden sie feststellen, dass es auch anders geht. Wenn man den so vielfältigen Gerüchten Glauben schenken darf." An diesem Abend hielten wir beide uns am Alkohol fest. Aber sein Kommentar war mir trotz meines Alkoholpegels im Gedächtnis geblieben.
    
    Pünktlich am 1. April, zwei Wochen vor dem in diesem Jahr sehr spät liegenden Osterfest, machte ich mich mit unserer Eisenbahn auf den über 1.200 Kilometer weiten Weg Richtung Westen. Bei Kilometer 787 endete nach eineinhalb Tagen die Bahnfahrt am Bahnhof Nyahua auf 1.250 Meter Höhe. Bis zum althergebrachten Handels- und Karawanenzentrum von Tabora waren es noch weitere rund fünfzig Kilometer. Ich konnte mich glücklicherweise mit meinem Reitpferd einer Karawane anschließen, die dasselbe Reiseziel in Kigoma hatte. Nur war das Tempo auf den verbleibenden dreihundertfünfzig Kilometern nachhaltig langsamer. Wir brauchten zehn Tage, dafür reiste ich sicher und konnte nicht im unbekannten Gelände verloren gehen. Ich wusste, dass wir nach ...
    ... Fertigstellung der Mittellandbahn für dieselbe Strecke etwa zwanzig Stunden Fahrzeit benötigen würden.
    
    Am Karfreitag erreichte ich als Teil der arabischen Handelskarawane Kigoma. Langsam das stetige Gefälle zum Seeufer marschierend sah man den silbrig glänzenden See bereits Stunden zuvor, dessen gegenüber liegendes Ufer man im nachmittäglichen Dunst noch nicht einmal erahnen konnte. Ich musste den Worten Direktor Hubers spontan zustimmen: "Kigoma ist am Rand unseres Deutsch-Ostafrikas und somit auch am Rand unserer Zivilisation", hatte er in der typischen Art eines Kolonialbeamten gesagt. "Es ist eine afrikanische Kleinstadt, die darauf wartet, zum wichtigsten Handelszentrum am Tanganjikasee, ja aus meiner Sicht in ganz Zentralafrika, aufzusteigen. Und Sie, Herr Henschel werden dabei einer der wichtigsten Pioniere sein, denn sie bringen unsere Eisenbahn nach Kigoma und errichten die erste Pieranlage mit Gleisanschluss zu den Weltmeeren."
    
    Ein erster Blick auf den Ort machte mir schlagartig die Größe und Bedeutung meiner Aufgabe deutlich. Ich musste praktisch bei null anfangen. Umso ein größerer Vorteil erwuchs sich aus der Tatsache, dass ich mich eher per Zufall in Nyahua der Karawane des arabischen Kaufmanns Muhammad Ali Hussein angeschlossen hatte. In den neun Abenden und Nächten, in denen wir an unseren Rastplätzen gemeinsam das Abendessen eingenommen hatten, war eine überraschend schnell wachsende Freundschaft entstanden. Muhammad Ali sprach erstaunlich gut Englisch und ...
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