1. Die Wiedergeburt der Katze


    Datum: 08.06.2024, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byIntersexitor

    ... der Verabschiedung einer altgedienten Stationsschwester an einem sonnigen Freitagnachmittag setzte ich mich mit meiner Sektflöte auf die Bank in einer ruhigen Ecke des Gartengeländes bei der Kantine und starrte in die Fontäne des kleinen Brunnens. Wo hatte mich mein Leben nur hingeführt? Hamburg. Berlin. Köln. Und jetzt ins beschauliche Storchenzell. Bei dem Gedanken an die wilde und aufgeladene Zeit mit Snoopy und Stefanie und ihren hehren Träumen begann ich zu frösteln. Und dann ausgerechnet Claire hier in der Provinz, die mich schon so lange in wirren Träumen als Nemesis verfolgt hatte. Sollte mir das irgendetwas sagen?
    
    Ich nippte an meinem Sekt, sah auf das Grün der umliegenden Berge und dachte plötzlich, dass es trotzdem gut war, wie es jetzt war. Gemessen an den Schicksalen meiner Patienten, war es für mich doch ein guter Tag. Eine Bewegung neben mir riss mich aus meinen Gedanken.
    
    „Ich habe mich halt noch nie zuvor so gedemütigt gefühlt, Jonas", sagte Claire, die sich auf leisen Sohlen zu mir gesellt hatte.
    
    „Das weiß ich doch. Aber ich weiß nicht, was ich noch tun kann, außer mich zu entschuldigen. Ich möchte hier in der Klinik einfach gut mit dir klarkommen", sagte ich nach einer Weile.
    
    „Du weißt nichts. Gar nichts!", entgegnete sie mit harschem Unterton, „aber die Entschuldigung nehme ich an", flüsterte sie.
    
    Diesmal sprang sie wenigstens nicht gleich davon, sondern blieb neben mir sitzen und starrte ebenfalls auf die bewegte Wasseroberfläche der ...
    ... Brunnenschale.
    
    „Vielleicht lässt du es mich irgendwann ja wissen", sagte ich leise zu ihr gewandt.
    
    „Vielleicht", murmelte sie kaum hörbar.
    
    Sie streckte mir plötzlich ihre schmale, weiße Hand entgegen. Ich drückte sie und sie war überhaupt nicht kalt wie eine Porzellanhand, sondern warm, fast heiß und schwitzig. Bevor wir aufstanden und wieder zu den anderen gesellten hatten wir uns sogar kurz verhalten angelächelt. Heute war tatsächlich ein guter Tag!
    
    Als ich mich an diesem Abend erleichtert zu Bett legte, fühlte ich erst so richtig, wie sehr mich diese alte Angelegenheit, die andere als Randnotiz in ihrem Leben längst abgetan hätten, unterschwellig belastet hatte. Wie mich der entsetzte Gesichtsausdruck der Gäste verfolgte, obwohl ich damals sternhagelvoll war. Ich glitt nur langsam ins Reich des Schlafs, verfing mich bald in einer unruhigen Zwischenwelt. Claire, die mich in ihrem Arztkittel auf Station anlächelte, bis ihr Blick auf meine Kitteltasche fiel, in der statt des Stethoskops plötzlich die Neunschwänzige Katze steckte. Als sie sich umdrehte und wegrannte, verfolgte ich sie durch einen endlosen Gang, der plötzlich blind endete. Da es keinen Ausweg für sie gab, zog sie langsam ihren Kittel aus, kniete mit Blick zur Wand vor mir nieder und entblößte Rücken und Po, bereit, sich meinen kräftigen Hieben zu unterwerfen.
    
    „Sag es mir!", herrschte ich sie an, während sich die Haut ihrer Kehrseite rötete.
    
    Doch sie blieb stumm und ertrug die Schläge, bis ich ...
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