1. Die Wiedergeburt der Katze


    Datum: 08.06.2024, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byIntersexitor

    ... einen privaten Kontakt anscheinend keinen Wert legte. Sie verließ die Station abends oft grußlos und wir gingen selten gemeinsam zum Mittagessen. Vielleicht tat ich ihr Unrecht, denn genaugenommen wusste ich immer noch nicht, ob sie nicht doch in der Ferne einen Partner hatte und Storchenzell nur eine Durchgangsstation in ihrer Karriere war. Das hinderte mich allerdings nicht daran, sie immer wieder in meine erotischen Tagträume einzubauen und im Geiste mal soft, mal hart durch die Mangel zu nehmen, wenn ich im Job Stress hatte.
    
    *
    
    SONNENKOPF
    
    Ich musste heftig pumpen, als ich mich in der Sommerhitze mit dem MTB zum Gipfel des Sonnenkopfs hochquälte. Der Sonnenkopf war dabei nicht besonders hoch, aus Sicht der Anrainer vielleicht nicht mal ein richtiger Berg. Aus Sicht des norddeutschen Flachlandtirolers jedoch schon! Selbst mit dem Mountainbike, wegen dessen ich in Berlin genug Spott ertragen musste, war die hügelige Gegend für mich eine ungewohnte Herausforderung. Ich schob dies aber eher auf meine mangelhafte Fitness als auf die für die Ebene ausgelegte Übersetzung der Gänge zurück.
    
    Kurz vor dem Gipfel wurde mir fast schwarz vor Augen und ums Haar hätte ich eine einsame Trailrunnerin umgenietet, die sich ebenfalls in der Gluthitze den Weg auf den Berg vorgenommen hatte. Oben angekommen lehnte ich das Mountainbike gegen eine der Sitzbänke auf dem Aussichtsplateau, ließ mich darauf erschöpft niedersinken und schüttete sofort den ganzen Inhalt einer Trinkflasche in ...
    ... mich hinein. Nachdem mein Puls sich beruhigt hatte, genoss ich die Aussicht über den Bodensee.
    
    Die Trailrunnerin hatte unterdessen keuchend den Gipfel erreicht und griff nach dem Schlauch ihres Trinkrucksacks. Sie trug ein Tanktop und war schweißüberströmt. Die blonden Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Aber halt! Das war doch...
    
    „Claire???", rief ich überrascht.
    
    Sie zuckte panisch zusammen und riss eigenartigerweise die Arme vor den Körper, wagte nicht, sich ganz umzudrehen.
    
    „Oh... Jonas... du fährst Mountainbike?", stammelte sie.
    
    Ich war irritiert. Sie schien vor mir zurückzuweichen. Wollte sie etwa vor mir davonlaufen? Eigenartig! Für eine halbe Minute presste sie die Augen zusammen, stand einfach reglos da wie eine Statue. Was war nur los mit ihr? Plötzlich kam Leben in sie, als hätte sie eine spontane Entscheidung mit sich selbst getroffen. Sie kam festen Schrittes direkt auf mich zu und nahm neben mir Platz. Dann drehte sie sich mit der Brust zu mir.
    
    Ärzte sehen Menschen anders. Patienten können mit irgendeinem banalen Husten in der Ambulanz sitzen, bei einem schwärzlich verfärbten Leberfleck auf dem Unterarm wird sich der Blick des Arztes wie ein Habicht über seiner Beute dort festsetzen. Und mein Blick heftete sich jetzt auf den weiten Ausschnitt von Claires Funktionsshirt. Die rötliche, wulstige Brandnarbe, die von der Drosselgrube bis zwischen die Brüste reichte, zumindest so weit das Tanktop diese freigab, war nicht zu übersehen. ...
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