1. Die Wiedergeburt der Katze


    Datum: 08.06.2024, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byIntersexitor

    ... Besteck aufnehmen, als ich Claire sah. Überrascht erkannte ich, dass sie zielstrebig auf meinen Tisch zusteuerte und mich höflich fragte, ob sie Platz nehmen dürfte.
    
    „Natürlich, Claire! Warum denn nicht?"
    
    Ich lud sie mit einer Handbewegung ein, sich gegenüber von mir zu setzen. Dann begannen wir schweigend zu essen, tauschten gelegentlich Informationen über Patienten auf Station aus.
    
    „Wie bist du eigentlich zum Laufen gekommen?", versuchte ich, das Gespräch in eine andere und überdies unverfängliche Richtung zu lenken.
    
    „Weißt du, ich habe irgendwann gemerkt, dass ich etwas tun muss, um meinen Körper anders zu spüren. Als Kind habe ich gerne geturnt. Aber das war nach... du weißt schon... einfach nicht mehr drin. Bestimmte Bewegungen tun halt ziemlich weh. Laufen geht einigermaßen."
    
    Nun hatte sie selbst das Thema aufgegriffen und ich fragte mich insgeheim, welche Ausmaße ihre Verbrennungen wirklich hatten.
    
    „Sieht aber sehr professionell aus, wie du das machst", merkte ich an.
    
    „Naja... für einen Halbmarathon unter zwei Stunden reicht es. Wobei ich lieber in der Natur als in der Stadt laufe."
    
    „Unter zwei Stunden! Wow! Und Natur gibt es hier ja zur Genüge", sagte ich und überlegte, ob sie deshalb hierhergezogen war.
    
    „Weißt du, Jonas, ein Onkel von mir hat hier gelebt. Wir haben die Wohnung übernommen, als er gestorben ist. So hat sich das mit der Klinik hier ergeben", erklärte sie, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Eine Weile aßen wir schweigend ...
    ... weiter.
    
    „Am Samstag ist wieder mein Geburtstag", murmelte sie fast beiläufig.
    
    „Verstehe. Das Problem mit den Jahrestagen und der Erinnerung", warf ich vorsichtig ein.
    
    Sie nickte knapp.
    
    „Mach dir keinen Kopf, Claire. Ich werde dich diesmal ganz sicher nicht behelligen! Versprochen!", sagte ich, hob zwei Finger wie zum Schwur und stocherte verlegen in meiner Gemüselasagne.
    
    „Ach... das ist jetzt aber schade. Ich wollte dich nämlich zu meinem Geburtstagskaffee einladen."
    
    Ich zuckte zusammen.
    
    „Ähm... bist du sicher?"
    
    „Mensch, Jonas. Tu nicht so doof. Du weißt jetzt schon mehr über mich als die meisten anderen hier. Und... ich arbeite gerne mit dir. Ist wirklich so", antwortete sie und starrte auf ihren Teller.
    
    „Nun gut... dann kann ich deine Einladung wohl kaum abschlagen. An welche Uhrzeit dachtest du denn?"
    
    „Um halb Vier am Nachmittag. Bei mir zuhause."
    
    „Ich werde da sein, Claire! Ich freu mich!"
    
    Den Rest des Tages wirkte sie bei der Arbeit fröhlich, für ihre Verhältnisse fast schon überdreht. Und zum ersten Mal verabschiedete sie sich bei mir, bevor sie nach Hause ging.
    
    Bereits mehrfach hatte Claire mir bei der Arbeit von ihrer Leidenschaft für klassische Musik erzählt. Ich fand tatsächlich am Samstagmorgen noch eine schöne Aufnahme der Violinkonzerte von Alessandro Peroni und ein paar Tuben Energy-Gel fürs Laufen im örtlichen Drogeriemarkt, die ich zuhause in ein hübsches Geschenkpapier verpackte.
    
    „Hallo, Jonas!", begrüßte sie mich ...
«12...232425...36»