1. Die Wiedergeburt der Katze


    Datum: 08.06.2024, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byIntersexitor

    ... freundlich und gab mir sofort die Hand, nachdem sie mir geöffnet hatte.
    
    Erfreut nahm sie das Geschenk entgegen und lenkte mich durch den Flur ihrer spärlich eingerichteten Wohnung. Alles ganz hell und clean. Sofort fiel mir die merkwürdige Stille auf. Am Fenster des geräumigen Wohnzimmers stand ein Esstisch mit Kuchenplatte und einer altmodischen Porzellankaffeekanne. Ich zählte zwei Gedecke. Genau zwei!
    
    „Ähm, Claire... und die anderen?"
    
    „Die anderen Gäste? Die... die waren heute alle verhindert", versicherte sie mir hastig.
    
    Wir saßen über Eck und sie goss mir sofort einen Kaffee ein. Ihre Hände zitterten dabei leicht.
    
    „Milch? Zucker?"
    
    „Nur Milch", antwortete ich und fühlte mich plötzlich unwohl.
    
    „Rhabarber- oder Käsekuchen?"
    
    „Ähm... vom Käsekuchen. Danke, Claire."
    
    Eine ganz Weile kauten wir stumm und sahen uns nur gelegentlich an.
    
    „Wir reden heute aber nicht über Patientengeschichten!", versuchte ich ein Gespräch zu beginnen.
    
    „Möchte ich auch nicht, Jonas", pflichtete sie bei.
    
    „Dann... erzähl doch mal, wie es dir so ergangen ist, in Berlin, nach... du weißt schon..."
    
    Ich bemerkte wieder, wie ein Schauer sie durchlief, dann begann sie.
    
    „Also... viel gibt es da gar nicht zu erzählen. Physikum lief gut. Genaugenommen sogar sehr gut. Im klinischen Abschnitt habe ich meine Dissertation über irgendwelche Ionenkanäle in den Zellen der Milz gemacht, die keinen Menschen interessieren. Und im Praktischen Jahr war ich nur in der Charité. In ...
    ... der Zeit ist meine Schwester Anita gestorben. Hatte mehrere Komplikationen durch ihr Down-Syndrom. Danach wollte ich einfach nur noch weg aus der Großstadt."
    
    „Oh, das ist schlimm", sagte ich und erinnerte mich dunkel an das Mädchen im Rollstuhl auf der denkwürdigen Geburtstagsparty in Berlin.
    
    „Für sie war es am Ende eher eine Erlösung, denke ich. Bin aber wie in ein Loch gefallen, weil ich erst dann gemerkt habe, wie sehr der Pflegeaufwand für Anita mein Leben ausgefüllt hat. Und dann gab es da fast zeitgleich noch die Trennung von Uwe."
    
    Ich wollte eben einen Schluck Kaffee nehmen, setzte dann aber die Tasse geräuschvoll wieder ab.
    
    „Uwe?"
    
    „Mein damaliger Freund. Habe ihn ein halbes Jahr vor dem zweiten Staatsexamen kennengelernt. Endlich mal ein Netter, aber Uwe kam einfach mit der Situation nicht klar. Aber er war wenigstens ehrlich im Gegensatz zu den Arschlöchern vorher. Darum kann ich ihm keinen Vorwurf machen. Hat aber sehr weh getan. Und tut es immer noch. Da stehst du am Ziel deiner Wünsche... Promovierte Ärztin mit Summa cum laude... und es geht dir einfach nur beschissen."
    
    In ihren Augen glitzerte es. Solche Kraftworte aus ihrem noblen Mund zu hören, war ungewohnt und mir stellten sich die Nackenhaare auf, weil ich mir nicht sicher war, ob sie mich mit den Arschlöchern mitgemeint hatte.
    
    „Ich hatte noch jahrelang Alpträume, Claire", stieß ich schuldbewusst hervor.
    
    Sie wirkte irritiert.
    
    „Alpträume? Wieso denn?"
    
    „Naja... diese blöde Peitsche ...
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