1. Die Wiedergeburt der Katze


    Datum: 08.06.2024, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byIntersexitor

    ... gegeben, diese vor mir zu verbergen. Sie vertraute mir.
    
    „Ich bin jedenfalls froh, dass du jetzt da bist!", stieß sie auf einmal fröhlich hervor und bekam rote Flecken am Hals.
    
    „Na dann... gib mir fünf!", rief ich keck und hielt ihr die Handfläche hin, nachdem mein Herz begonnen hatte zu hämmern.
    
    Sie klatschte mich nach kurzem Zögern schließlich ab und in diesem Moment war das Eis zwischen uns wirklich ganz und gar gebrochen.
    
    *
    
    Wir wechselten nach dem Kaffee auf die Couch und unterhielten uns eine ganze Weile angeregt über klassische Musik, Konzerte in der Nähe und ihren Laufsport. Unweigerlich kamen wir dabei wieder auf ihre Narbe zu sprechen und mir fiel auf, wie sich ihr drahtiger Körper dabei anspannte und ihre Züge sich von Zeit zu Zeit verhärteten. Nach einer Weile schien sie ganz unruhig zu werden.
    
    „Du, Jonas, ich sollte heute Abend eigentlich nochmal eine Runde laufen. Total schade, weil ich noch stundenlang hier mit dir sitzen könnte. Aber morgen ist der Bregenzer Marathon. Da bin ich für die Halbmarathon-Distanz gemeldet", ließ sie vorsichtig ins Gespräch einfließen.
    
    Ich stutzte. Dass sie mir letzte Woche bei der Arbeit nicht davon erzählt hatte? Dass sie überhaupt heute zum Geburtstagskaffee einlud, wo doch morgen so ein wichtiges Ereignis anstand?
    
    „Ist kein Problem, Claire! Da will ich dich auf keinen Fall von abhalten. Dann kann ich noch etwas Rad fahren. Wird bei mir demnächst auch mal wieder Zeit für ein Jedermann-Rennen, denke ...
    ... ich."
    
    Wir standen auf und deckten gemeinsam den Tisch ab, bevor wir zur Tür gingen. Sie wirkte auf einmal unruhig.
    
    „Ich fand es wirklich superschön, dass du da warst, Jonas!"
    
    Wir sahen uns lange in die Augen, ihr Blick flackerte wild. Impulsiv umarmten wir uns zum Abschied wie alte Freunde und ich spürte, wie mein Herz begann zu pochen. Manchmal sind es im Leben die ganz kleinen Gesten und Bewegungen, die eine große Wirkung haben. Wie ein Händedruck, der einen Tick zu lange für eine formelle Verabschiedung dauert. Meine rechte Hand strich mechanisch über den Rücken, den ich bisher nur in meinen Träumen unbedeckt gesehen hatte. Überrascht stellte ich dabei fest, dass keine BH-Riemchen zu spüren waren, vielleicht trug sie keinen wegen ihrer Brandnarben. Sie hatte die Augen geschlossen, legte den Kopf leicht an meine Brust. Dann blickte sie zu mir auf und schloss nach einer Weile die Augen. Ihr heißer Atem strich mir über die Wangen. Als ihre Oberlippe meinen Mund berührte, begann mein Puls zu rasen und ich merkte, wie mir der kalte Schweiß ausbrach.
    
    „Ähm... Danke für die nette Einladung, aber ich denke, ich sollte jetzt besser gehen, Claire", zog ich die Reißleine, machte mich unter ihrem erschrockenen Blick rüde von ihr los und stürmte panisch die Treppe hinunter. Auf dem Rad eilte ich kopflos drei Häuserblöcke weit die Straße entlang und wurde beinahe von einem Laster, dem ich die Vorfahrt nahm, über den Haufen gefahren. Was sollte das denn gerade gewesen sein? Schließlich ...
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