1. Erinnerungen 02


    Datum: 15.11.2018, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie Autor: byErelyn

    ... falls man das so nennen konnte -- und uns. Wir hatten mehr Zeit miteinander verbracht, als die meisten Geschwister, war da wirklich nicht noch ein wenig mehr, als wir uns eingestanden?
    
    Wie von einer äußeren Kraft geführt bewegte ich meinen Kopf ganz langsam zu ihr, bis sich ihr Mund nur noch eine Handbreit von meinem entfernt befand. Ich hatte keine Ahnung, wie sich ein Kuss anfühlt, aber irgendwie schien er für diesen Moment richtiger als alles Andere. Wie um mich zu vergewissern sah ich in ihre immer noch weit aufgerissenen Augen, all meine Gedanken waren innerhalb von Sekunden durch meinen Kopf geschossen.
    
    Ich suchte nach Einverständnis, nach einer Bestätigung, hatte aber keine Ahnung, wie man dies erkennen konnte. Ich glaube, das Spiegelbild in ihren nassen Augen könnte ich noch heute detailgetreu nachzeichnen, wenn ich wollte, aber es würde all die Magie einbüßen, die es für mich in diesem Moment hatte. Ich sah darin das offene Fenster ihres Zimmers, den von der Morgensonne leicht rötlich schimmernden Himmel, meine eigenen Augen, in denen sich wiederum ihr Spiegelbild fand.
    
    Sosehr ich mir dieses Bild einprägte, ich sah eine wunderschöne Frau, aber nicht mehr. Ich fühlte mich in diesem Moment wieder wie zwölf, völlig ahnungslos, ohne irgendeinen Erfahrung, nur aus Büchern kannte ich den ersten Kuss. Dort hatte er völlig unterschiedliche Gründe: Meistens war er wunderschön, manchmal waren die beschriebenen Küsse jedoch auch verletzend, einmal hatte ich gelesen, ...
    ... dass es sich anfühlte, als würde einem die Seele des Todes eingehaucht.
    
    Was konnte ich in diesem Moment glauben? Mein Gefühl schrie danach, endlich die Zweifel zu ignorieren, doch was war mit Aileen? War ich gerade dabei mir ein Fantasiekonstrukt aufzubauen, sodass ich sie nur verletzen würde? Ein Kuss war etwas, was von beiden ausging, oder? Ich wollte so nah bei ihr sein, wie es nur möglich war, darüber war ich mir mittlerweile im Klaren, aber was, wenn ich mich mit meinem Wunsch in einer überstürzten Handlung am Ende unerreichbar weit von ihr entfernte?
    
    Sollte ich ihr sagen, was ich dachte? Konnte ich ihr einfach sagen, dass ich sie liebte? Mit nichts anderem auf der Welt lassen sich solche Gefühle erklären, das glaubte ich zu dieser Zeit jedenfalls noch. Ich spürte ihren Atem in meinem Gesicht, spürte das Pochen ihres Herzens an meiner Brust. Ein kaum spürbarer Luftzug strich über meine Augen, als sie kurz blinzelte. Und wieder einmal war sie es, die meine Starre löste:
    
    Ihre Stimme war nicht mehr al ein kaum hörbares Flüstern, doch für mich waren es beinahe laut in die Welt hinaus gerufene Worte:
    
    „Ich brauche dich, du darfst nicht gehen..."
    
    Sie ließ eine Pause, beinahe wäre ich enttäuscht gewesen, schließlich würde dies auch als Entschuldigung für ihr allzu heftiges Festhalten an meinem Hals gelten. Doch wie so oft sind die einfachsten Worte diejenigen, die am Ende die größte Wirkung haben.
    
    „Ich liebe dich."
    
    Der erste echte Kuss des Lebens ist etwas ...
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