1. Die Schlaglochpiste am Schwesternheim


    Datum: 08.01.2019, Kategorien: Medien, Autor: Luftikus

    In dem minimalistisch eingerichteten Büro herrschte Ordnung. Wie leer gefegt, präsentierte sich der hypermoderne Schreibtisch, der nur zwei Objekte beherbergte. Frisch poliert strahlte über der dunklen Maserung des Holzständers das Messingschild mit dem Namen der Büroinhaberin. „Irka Wolmoerts-Grünheide, Baustadträtin.“ Neben dieser Zurschaustellung kommunaler Repräsentation lag die Rechnung einer KFZ Werkstatt. 534 Euro und 77 Cent wies das Papier als dick gedruckten Endbetrag aus. Soviel hatte die Reparatur des Karosserieschadens an der vorderen linken Seite des sportlichen Kleinwagens gekostet.
    
    Nun zeigte die Besitzerin des demolierten Automobils ein all zu tiefes kommunales Schlagloch auf der Zufahrtsstraße zu ihrem Einzimmerapartment im Schwesternheim als schuldigen Unfallverursacher an, und da es sich somit um einen kommunalen Karosserieschaden handelte, sollte die Stadt natürlich für das zerdepperte Blech blechen. Vollständig!
    
    Lassen wir uns nicht täuschen. Dass sich hier die Baustadträtin höchstpersönlich um die Sorgen und Nöte einer kleinen Bürgerin kümmert, ist nicht dem serviceorientierten und bürgernahen Charakter der Rathausverwaltung jener mittelgroßen Stadt geschuldet, in der unsere Anekdote angesiedelt ist.
    
    Vielmehr hat dieses Gespräch seinem Ursprung in einem Büschel dickborstiger Haare. Es sind die auf den Zähnen der Heldin unserer Geschichte: Stationsschwester Claudia.
    
    Mit ihren 184 cm, den breiten Schultern, und dem großen ...
    ... ausdrucksvollen Gesicht, gab die 32 jährige eine stattliche Erscheinung ab. Ihren Laden hatte sie fest im Griff. Die Patienten fraßen der resoluten Stationsschwester aus der Hand.
    
    Eigentlich wollte sie nach ihrer Scheidung nur kurz im Schwesternheim wohnen, so lange, bis sie ein eigenes kleines Appartement günstig zur Miete gefunden hätte. Dann kam immer etwas dazwischen. Als Claudia dann die Chance bekam, die Leitung der Station Inneres A zu übernehmen, und dafür viele Lehrgänge absolvieren musste, entschied sie sich, endgültig dort zu bleiben. Da außer ihr, fast nur Schwesternschülerinnen im Heim wohnten, wuchs sie schnell in die Rolle der Mutter der Kompanie.
    
    Es lebte sich gut im Hühnerstall, wie sie ihr Zuhause liebevoll nannten. Ruhig gelegen, mit einem großzügigen Parkplatz direkt vor der Eingangstür bot es ein sehr kurzen Arbeitsweg. Die Mieten waren günstig und die Atmosphäre unter den Bewohnerinnen gut. Eigentlich ein ideales Heim, wäre da nicht diese katastrophale Zugangsstraße. Eine Schlaglochpiste ohnegleichen, und die Stadtverwaltung unternahm nichts dagegen. Die Krankenschwestern gaben sich bei den Anfahrten schon zufrieden, wenn nicht mehr passierte, als dass die Radkappen wegflogen.
    
    „Wann werden endlich die Schlaglöcher geflickt?“ Mit einem herablassenden Kopfschütteln gab ihr die Baustadträtin die Rechnung zurück. Was dachte sich diese Krankenschwester eigentlich? Im belehrenden Ton erklärte sie ihr, dass die Stadt durch das Anbringen der Schilder der 10 KM ...
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