Ein Leben in Bedrangnis 07
Datum: 19.01.2019,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
Autor: byachterlaub
... damals noch nicht die alltäglichen Gedanken, die von Rechnungswesen, Klausuren, Diplomarbeit und allen möglichen juristischen Theorien in Beschlag genommen wurden. Irgendwie hatte ich schon damals den Eindruck, dass die Leichtigkeit der frühen Studentenjahre einer gewissen Schwermut gewichen war.
Ich meinte nun, mit Gewalt erwachsen werden zu müssen. Ich durfte mich nicht von meinen Gefühlen überwältigen oder mich im Strom des Lebens dahintreiben lassen. Eine leichte Melancholie beschlich mich, wenn ich an die künftige Zeit dachte. Da wäre zunächst die Prüfungszeit durchzustehen und bald darauf wäre ich wohl diplomierter Betriebswirt, der endgültig auf eigenen Beinen und eigenverantwortlich sein Leben gestalten müsste. Solche Gedanken lagen mir auf ein Mal näher als irgendwelche Küken, die nur gelegentlich in mein Leben traten.
Aber in meiner gedankenverlorenen Sinnfindung stand ich nicht alleine. Die Atmosphäre vor den entscheidenden Klausuren war angespannt. Die angehenden Prüflinge wuselten geschäftig in den Räumen und Gängen der Universität herum oder liefen in ihren kleinen möblierten Zimmern unstet einher. Der Wahnsinn der Prüfung hatte sich auf ihre biederen Gemüter gelegt. Ein babylonisches Gewirr an Fachausdrücken überspannte dies alles.
Ein Außenstehender hätte beobachten können, wie es immer wieder zu Verbindungen untereinander kam, wie sie nie zuvor bestanden hatten. Der Primus lehnte sich an den psychisch starken Durchschnittsstudenten an, der ...
... Ängstliche suchte den Beherrschten. Überhaupt war all das, was in der Vergangenheit trennend schien, aufgehoben. Vermögen, Stand, Aussehen -- nichts spielte in dieser Extremsituation eine besondere Rolle mehr. Jeder war einzig darauf bedacht, das letzte an vermeintlich notwendigem Wissen sich zu beschaffen.
Auch ich war von der Examenshysterie gepackt. Seit dem Abitur-Abschlussball hatte ich nur wenige Male mit Klara gesprochen, obwohl wir die ganze Zeit parallel studierten. Wir hatten wenig gemeinsam. Das wusste ich aus den neun Jahren gemeinsamer Schulzeit. Gleichwohl empfand ich nie eine Abneigung ihr gegenüber. Sie war angenehm im Umgang. Was mich vor allem störte, war eine gewisse geistige Unbeweglichkeit, die ganz ihrem Äußeren zu entsprechen schien. Dann Klara war immer recht dick gewesen. Ihre Hände wirkten patschig und ihr Gang war schwerfällig, zuweilen unbeholfen. Nur die stets leuchtenden Augen und die vollen Lippen machten, dass man sie überhaupt wahrnahm.
Es war klar, dass uns mit dieser Vorgeschichte mehr verband als mit den meisten anderen Prüflingen. Die Klausurtermine rückten immer näher. Einige aus dem Jahrgang beschlossen, sozusagen als Henkersmahlzeit, am Wochenende vor der Hinrichtung noch einmal richtig Party zu machen.
Die Veranstaltung mit vielleicht 30 Personen fand im Aufenthaltsraum eines Studentenheims statt. Auch Klara war anwesend. Es wurde ein ausgelassener Abend. Bier, Bowle, Wein -- alles war im Überfluss vorhanden. Die Musik hatte sich auf ...